Alu ist super

Christoph Berger-SchauerMaterial

Ein ganzes Jahr am Specialized Stumpjumper EVO Elite Alloy ist zu schnell vergangen.


Specialized Stumpjumper EVO Elite Alloy – MJ 2023

Preis€ 6.400,-
Federweg160mm vorne, 150mm hinten
Laufräder29 Zoll
RahmenmaterialAlu
Gewicht
Garantielebenslang (Rahmen), wenn Produkt registriert ist
Gleiche LigaTrek Fuel EX, Rocky Mountain Instinct, Transition Sentinel, Radon Slide Trail, Propain Hugene 2

Vom S-Works Stumpjumper EVO waren wir – gelinde gesagt – komplett ausm Häusl. „Ist ja leicht, bei einem Radl das 11.000 Eier kostet“, könnte irgendwer dahergelaufener einwenden. Das haben wir auch so gesehen und diesem Gedanken Anerkennung gezollt. Zitat aus dem Artikel: „In einem Bentley hat man auch wenig zu bekritteln.“ Deshalb haben wir uns sinnbildlich aus dem belüfteten Rauleder-Fauteil in den praktikabel gehaltenen Fußballstadion-Sitz bewegt. Namentlich auf’s Specialized Stumpjumper EVO Elite Alloy.

Das Radl ist im Prinzip das gleiche. 160mm Federweg vorne, 150mm hinten, komplett 29er (natürlich aber auch als Mullet fahrbar). Von der Art Bike her ein ideales, wenn man eines für alles besitzen will. Wie schlägt sich allerdings die Alu-Volksversion gegen die S-Works-Carbon-Highroller-Variante? Sind die 11.000 Euro ihr Geld wert und wieviel bekommt man für etwas mehr als die Hälfte von der Kohle?


Ein Blick auf die Ausstattung

Alu vs. Carbon. Das ist eindeutig das Motto wenn man Arbeitnehmer-Stumpy mit Arbeitgeber-Stumpy vergleicht. Rahmen hier Alu, dort Cagon. Lenker hier Alu, dort Carbon. Felgen hier Alu, dort Carbon.

Es soll ja Leute geben, die alleine schon wegen dem S-Works Schriftzug am Unterrohr eine Niere verkaufen würden. Der Carbonrahmen vom S-Works Stumpy ist auch unbestritten ein schönes Ding. Zum Alu-Stumpjumper in „Satin Aluminium / Gunmetal“ hat’s unseren Mauszeiger auf der Webseite ehrlicherweise nicht unbedingt hingerissen. In echt ist es aber viel schöner als am Bildschirm. Klar, die Schweißnähte sind wuchtig im Vergleich zum organisch-verlaufenden Carbon. Was aber auch irgendwie Robustheit vermittelt. Und die Farbgebung wirkt im Sonnenlicht extrem stilsicher. Zeitlos, könnte man auch sagen. Eine Farbkombi, die Trends überdauert und doch nicht fad ist.

Auch beim Volks-Stumpy glänzt von der Weite das Kashima. Haben wir uns nicht gewünscht, ist aber beim Elite Alloy für € 6.400 UVP drauf. Dafür ist die elektronische Schaltung einer mechanischen gewichen. Spielt uns in die Karten. Mit der AXS hatten wir am Fondmanager-Stumpy eine kleine, persönliche Fehde geführt. Man mag es heutzutage kaum glauben, aber auch mit Seilzug funktioniert eine Schaltung pipifein. Bonus obendrein: Man kann nicht vergessen sie zu laden.

Ausstattungstechnisch sind noch ein paar Dinge anders. Kleine Dinge. So wie beispielsweise das SWAT Tool. Das steckt beim Mieter-Stumpy am Flaschenhalter und nicht im Gabelschaft, wie beim Vermieter-Stumpy.

Bleiben wir bei den kleinen Dingen. Da wären die Griffe. Deity Lockjaw am fünfstelligen Stumpy, Specialized Trail Grips am vierstelligen. Auch nicht schlecht, aber nicht ganz so bequem (was sich an den nicht behandschuhten Händen ablesen lies) und nach einer Saison mehr mitgenommen, als die Deity nach zwei.

Nicht ganz so klein, aber in die gleiche Kategorie, nämlich „nur fast so gut“, reiht sich die Sattelstütze ein. Viele schwören auf die OneUp und besorgen sie sich als Aufrüstteil für ihre Hobel und wir hätten auch nie geglaubt, dass wir das sagen würden, aber: die RockShox Reverb AXS war wartungsärmer. Kann sein, dass die OneUp mehr Liebe gebraucht hätte, damit sie wieder wie neu ausgefahren wäre, aber die Reverb hat diese Liebe nie gesehen. Pluspunkt für die OneUp: Sie funktioniert auch ohne Strom.


Palmarés

Dinge, die wir mit dem Specialized Stumpjumper EVO Elite Alloy angestellt haben:


Die Saison am Volks-Stumpy

Der ausstattungstechnische Vergleich zum Premium-Vorgänger klingt ja fast so, als wären wir in den Raunz-Topf gefallen und hätten -3 Punkte Spaß gehabt, so wie Jens-Dieter mit dem Platten am Hacklberg Trail. Nur keine Sorge, es war ganz anders. Von März bis März haben wir das Specialized Stumpjumper EVO Elite Alloy bewegt und es hat brutal gefallen. Und das, obwohl es kein leichtes Leben hatte. Gleich im Mai wurde es beim Blinduro mit Schwung an einem Granitfelsen angelehnt, sodass ein Teil der Kashima-Beschichtung auf ewig in Tschechien bleiben musste. Genau wie ein Teil vom Alu an der Sitzstrebe. Tapfer und ohne Jammer überlegte des Stumpy mit diesen Blessuren aber die gesamten weiteren 10 Monate. Wer weiß ob ein S-WORKS hier so ohne weiters ohne großes Drama und Tränen weitergemacht hätte.

Rein aufs Fahrverhalten bezogen sind die Unterschieden zwischen Metall- und Kohlefaser-Stumpy marginal. Beides fährt sich super, verspielt und macht Spaß. Dass das Elite Alloy etwas mehr Gewicht mitbringt als der S-WORKS Chef ist klar, kratzt aber bei den heutzutage ausgerufenen Gewichten in der 140+ Federwegsklasse sowieso keinen mehr. Richtig lange Touren waren diesmal nicht dabei, dafür viele Runden um die 1.000 Höhenmeter treten. Am anderen Ende des Spektrums waren mit den Strecken im Bike Park Czarna Gora (Polen) beispielsweise richtig knackige Downhill-Strecken mit im Programm für das Alu-Stumpy. Wurscht wo im Spektrum, das Stumpjumper EVO Elite Alloy fühlte sich immer total passend in der Hand liegend an.

Im Rennmodus beim Blinduro.
Foto: Nikolas Jellinek

Aus der Reihe getanzt, in einer nervigen Art, ist die DUB Kurbelabzieherschraube (die mit den vier kleinen Löchern). Die ergriff trotz Schraubensicherung mehrmals die Flucht, unauffindbar ins Unterholz. Auch die Bremse, die sich mit Fortdauer der Saison durch steckende Kolben bemerkbar machte. Kleinigkeiten, womit sich der Kreis zu den oben genannten Kinkerlitzchen schließt, in einem vorrangig gelungenen Rundumpaket.

Vermutlich hat sich die DUB Kurbelschraube auf derartigen Trails verabschiedet.

Wirklich praktisch und eine absolute Aufwertung von jedem Radl ist der Kofferraum im Unterrohr, den es in dieser Version erstmals im Alu Stumpjumper EVO gibt. Und da schenkt sich das Elite Alloy vom Platz her gegenüber dem Carbon-Bruder gar nichts. Genauso geräumig, genauso praktisch.


Fazit

Das Stumpjumper EVO Elite Alloy ist ein erschwinglicher Glücksgriff. Nicht ganz so makellos, so posh-perfect wie sein S-WORKS Bruder, mehr Werkzeug als Schmuck, dafür auch für weniger kreditwürdige Individuen leistbar.

Foto: Markus Wessig
Über den Author

Christoph Berger-Schauer

Dicke Schlappen, schmale Reifen, bergauf, bergab – ist für alles zu begeistern, nur flach darf es nicht sein. Unbekehrbarer Fahrrad-Afficionado, seit einiger Zeit vom Enduro-Virus befallen. Schreibt nieder, was andere nicht in Worte fassen können.

Artikel teilen