Mountainbike Kongress Österreich 2022

Christoph Berger-SchauerGeil wars, Szene

Mountainbike Kongress Österreich 2022

Foto: saalbach.com, Markus Landauer

Der sechste Mountainbike Kongress Österreich fand vom 4. bis 6. Oktober 2022 in Saalbach statt.


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Update, 10.10.2022

Der Mountainbike Kongress Österreich beweist Jahr für Jahr wie wichtig es ist, dass man sich zum Thema Mountainbike trifft und zusammenredet. Kommunikation, wurde erneut konstatiert, ist essentiell. Da wollen wir gleich einhaken und kommunizieren, was in Saalbach heuer passiert ist.

Tag 1: Nachhaltigkeit

„Megatrend“, „schöne Idee“ oder schlichtweg – wie wir es nennen würden – allerhöchste Notwendigkeit. Nachhaltigkeit stand beim Mountainbike Kongress Österreich gleich zu Beginn im Vordergrund. Die erste Podiumsrunde widmete sich dem Thema aus dem Aspekt der Mobilität und Infrastruktur. Besonders ersteres wurde heiß diskutiert. Cornelia Walch, Radkoordinatorin der ÖBB, musste eingstehen, dass vieles nicht so läuft, wie man sich das aus Radfahrersicht wünschen würde. Das unterstrich Spontan-Podiumsgast Leni Krug vom Tourismusverband Saalbach-Hinterglemm. Man bemühe sich seit einiger Zeit um einen Radtransport am Linienbus von Zell am See nach Saalbach – jedoch ohne Erfolg. Ein Grund warum Radverkehr und Öffis oftmals nicht kompatibel sind, sieht Cornelia Walch darin, dass besonders bei Zügen alles sehr langfristig (Wagons für die nächsten 30 Jahre) und sehr unflexibel (z.B. keine flexible Raumaufteilung in den Zügen möglich) ist. Bei Bus & Co konstatierte die Radkoordinatorin: „An was es scheitert, keine Ahnung.“

In der zweiten Podiumsrunde stellten Gastronomen wie Hannes Müller (Die Forelle, Weissensee) und Kurt Resch (Steinegger Hof, Südtirol) fest, dass man durch Fokussierung auf Nachhaltigkeit gewisse Gäste verlieren mag, aber sicherlich andere hinzugewinnt. Und: Regionen, die als „verschlafen“ gelten, profitieren heute sogar davon.


Tag 2: Bike Nation Österreich

Provokante Überschrift mit dem Untertitel „Attraktivstes ‚illegales‘ Wegenetz der EU“. Der spannendste Kongresstag aus unserer Sicht. Eingeläutet wurde er durch einen Vortrag von Graeme McLean, Chef von Developing Mountain Biking in Scotland. Im Norden der Großbritanniens gibt’s eine für uns unvorstellbare Situation: Die dortigen Bundesforste haben früh das Potenzial des Mountainbikens erkannt und bereits 1986 den ersten dezidierten Trail geschaffen – vor allem um Mountainbiker vor den Gefahren der Forstarbeit zu bewahren. Seitdem gibt’s 6-Jahres-Strategien, die auf drei Ziele ausgerichtet sind: 1) Die Bevölkerung gesünder zu machen. 2) Schotten ganz vorne bei weltweiten Bike-Events zu sehen. 3) Tourismus anzukurbeln.

Zurück in die Realität holte uns die nationale Runde mit den Landesvertretern Dietmar Emich (Salzburg), Markus Pekoll (Steiermark), Markus Redl (Niederösterreich) Paco Wrolich (Kärnten), Gregor (Vorarlberg) und Alpenverein-MTB-Koordinator Rene Sendlhofer-Schag. In Salzburg sei die Sitaution akut, genieße aber keine Priorität in der Politik. Er habe jetzt noch kein Budget für 2023, legte Diemtar Emich die Situation dar. Da helfe auch kein Kümmerer, keine ensprechende Stelle. Vorarlberg stehe noch am Anfang der Entwicklung, doch zum Kongress reisten zwei Raumplaner des Landes mit an. Paco Wrolich, der Vertreter am Podium mit der längsten Erfahrung (10 Jahre) schaffte es von 0 km im Jahr 2021 auf 3.800 km legale Strecken zu kommen. Dennoch ist er alles andere als zufrieden. Das Angebot sei weit weg von zeitgemäß. Was er allerdings positiv sieht: Der Druck steigt. Mittels Datenmaterial kann er Grundeigentümern heute leicht verdeutlichen, wo Mountainbiker unterwegs sind und klipp und klar sagen: Die wirst du nicht mehr wegbekommen. Diesen Ansatz verfolgt auch Markus Pekoll in der Steiermark, der in der Südsteiermark soeben ein großangelegtes Pilotprojekt initiiert hat. Ein weiterer Ansatz: Regionale Initiativen von oben fördern. Worin sich alle einig sind: Die Politik muss stärker auf das Thema aufmerksam gemacht werden. Erzählt euren Gemeinde-, Landes- und/oder Nationalräten davon. 2023 sind Wahlen in Niederösterreich und Salzburg. Die nächste Chance, dass sich etwas bewegt.

In der nächsten Runde saßen Marco Pointner (Tourismus Saalfelden Leogang), Markus Pekoll und Paco Wrolich zur Fragestellung „Braucht Mountainbiken sportliche Aushängeschiler?“ Für Marco Pointner war und ist es essentiell nichts zu vermarkten, was es dann nicht gibt (Stichwort Infrastruktur). Paco Wrolich kritisierte vor allem die vergebenen Event-Chance (drei Rennrad-WMs in Österreich von denen nichts blieb): „Das beste Event ist nicht nachhaltig ohne Verein vor Ort, der die Arbeit weiterführt.“

Das Podium für sich allein hatte anschließend Felix Heckl. In einem mehrjährigen Projekt widmete sich ein Team aus Umweltbundesamt und BOKU unter seiner Führung ErniMTB. Was braucht es für legale Strecken, woran scheitert es, wie ist die optimale Herangehensweise – waren Fragen, die in drei PDF-Leitfäden aka Handlungsempfehlungen zusammengefasst wurden und jedem zum Download zur Verfügung stehen.

Darauf folgend war Workshop-Zeit. Gruppenarbeit zum Thema „öffentilche Wege“ oder „Trailcenter“. Wir widmeten uns ersterem mit den Fragestellungen: Woran scheitert’s? Was braucht’s? Was kann man selbst tun?


Tag 3: Der Trail

Ein letzter Vormittag, begonnen mit einer Podiumsrunde zu den „Stolpersteinen am Weg zum regionalen Angebot“ mit Daniel Huemer von MTB Linz, Wolfgang Moitzi von MTB Murtal und Thorsten Schmitz von Intersport Österreich. Die ehrenamtlichen Initiativen kümmern sich um ein legales Angebot, weil es in diesen Regionen ohne Tourismusfokus sonst niemand macht. Ein Angebot, das von Bikern ausgeht, finden sie absolut gut, stossen aber zeitlich an ihre Kapazitätsgrenzen. Zumindest finanziell springt Intersport mit dem Bike-Infrastrukturfonds bei. Bei einem sind sich alle sicher: Legale Wege haben für alle Vorteile.

Es folgten Vorträge zum International Trail Rating System (ITRS) von Mischa Crumbach, eine Trail-Verwaltungsapp von Bikeplan (Jan Oggier) und die Podiumsfrage nach dem perfekten Trail mit Markus Pekoll als Moderator und Alexander Arpaci und Christoph Matzke aus Diskutanten. Alexander fordert niederschwelligeres Angebot wie beispielsweise in tschechischen Trailcentern, während Christoph nur mehr Trails bauen will, die zum Gelände passen.

Letzter, und extrem interessanter Punkt auf der Agenda, war das Statement von Dieter Brosz aus dem Sportministerium, der sich in Ruhe den Kongress bis hierhin angesehen hatte und nun eine kompakte Zusammenfassung des Status quo lieferte. Es gibt den Willen etwas zu machen, die Zuständigkeit des Bundes sei aber begrenzt, weil vieles Ländersache sei. Im November trifft sich das Sportministerium mit den Sportlandesräten und dort wird Mountainbiken als Fokusthema vom Bund vorgeschlagen werden. Ein erster möglicher Schritt könnte eine nationale MTB-Strategie sein. Dass die Länder ihre Gesetzeslage vereinheitlichen, daran glaubt er jedoch nicht. Über die Bundes-Sportförderung könne der Bund aber indirekt steuern, wobei eine Gleichheit zwischen den Sportarten gegeben sein muss. Kleiner Wink seinerseits Richtung Radsportverband: Der ÖRV erhält vom Bund jährlich 1,1 Millionen Euro an Förderung, die nächstes Jahr vermutlich um ein gutes Stück aufgestockt wird. Vielleicht müssen sich die Mountainbiker ob der wachsenden Sportlerzahlen und Erfolge im Verband stärker auf die Füße stellen.


Fazit

Was bleibt? Ein Kongress allein ist zu wenig. Sobald alle Saalbach verlassen, liegt es an jedem einzelnen, dass der Input nicht verpufft. Folgendes nehmen wir mit. Politiker penetrieren – und zwar mit Gesprächen, Anrufen und Mails. Mountainbiken muss auf die politische Agenda. Wissen sammeln. Eine Erkenntnis aus den Gesprächen zwischen den Vorträgen und Podiumsdiskussionen. Damit nicht jeder bei 0 anfagen muss oder sein eigenes Süppchen kocht. Dazu werden wir in Kürze gemeinsam mit der Trailpartie einen Vorstoss vornehmen. Und zu guter Letzt: Es zahlt sich aus, wenn man sich einsetzt. Das zeigen Beispiele wie MTB Linz, MTB Murtal oder die unermüdliche Arbeit von Paco Wrolich und Markus Pekoll.


Vorbericht

Nach einem Jahr Pause treffen sich vom 4. bis 6. Oktober in Saalbach wieder alle, die mountainbiketechnisch hierzulande etwas weiterbringen wollen. Der Mountainbike Kongress Österreich hat sich erneut einige hochkarätige Experten aus dem In- und Ausland eingeladen, die an den drei Tagen frischen Input liefern sollen und mit denen diskutiert werden darf. Der Dienstag steht unter dem Zeichen der Nachhaltigkeit, die aus verschiedensten Blickwinkel betrachtet wird. Am Mittwoch ist das Schlagwort „Bike Nation Österreich“ (Achtung: provokant), zu der sich nicht nur heimische Sprecher, sondern – und darauf sind wir sehr gespannt – Graeme McLean von Developing Mountain Biking in Scotland zu Wort meldet. Wenn alles glatt geht dürfen wir dazu am Abend Vertreter der Politik mit Fragen löchern. Am letzten Tag wird der Fokus auf die Infrastruktur gelegt. Die Organisation, Finanzierung und Instandhaltung von Trails ist am Donnerstag das dominierende Thema.

Wir werden unsere Erkenntnisgewinne live auf Instagram vom Mountainbike Kongress Österreich kund tun und natürlich im Nachgang eine Zusammenfassung genau an dieser Stelle veröffentlichen.

Über den Author

Christoph Berger-Schauer

Dicke Schlappen, schmale Reifen, bergauf, bergab – ist für alles zu begeistern, nur flach darf es nicht sein. Unbekehrbarer Fahrrad-Afficionado, seit einiger Zeit vom Enduro-Virus befallen. Schreibt nieder, was andere nicht in Worte fassen können.

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