Mountainbike Kongress Österreich 2020

Christoph Berger-SchauerGeil wars, Szene

Mountainbike Kongress Österreich 2020

Foto (c) Saalbach.com

Zum fünften Mal gab’s 2020 den Mountainbike Kongress Österreich. Von 29.9. bis 1. Oktober fand das Vernetzungstreffen in Saalbach statt.


Update 5.10.2020

Hari Maier hat es geschafft, in einer nicht beneidenswerten Zeit für Veranstalter einen extrem interessanten Mountainbike Kongress auf die Beine zu stellen. Extrem interessant, weil sich in den Talk-Formaten auf der Bühne sehr diskussionslustige Charaktere begegneten. Ein Max Mayr-Melnhof beispielsweise, Landesjägermeister von Salzburg, der – neben einigen altbekannten Einwänden doch etwas Konsensbereitschaft durchblicken ließ: „Wir dürfen als Grundeigentümer, Förster, Jäger, Naturnutzer nie sagen ‚Nein!‘, sondern ‚Nein, aber ich biete dir [Biker] hier eine Alternative. Oder Josef Niebauer, angesehener Sportmediziner aus Salzburg, dem es bei E-Bikes für Kinder „alle Haare aufstellt.“ Oder Markus Hallermann, Gründer von komoot, der die staatliche GIP für ihre Datenbereitstellung kritisierte: „Will ich staatlich anerkannte Daten oder will ich, dass meine Daten genutzt werden?“ Wie die Statements oben schon zeigen, wurde das Thema Mountainbiken aus mehreren Perspektiven beleuchtet.

Mountainbike Kongress Österreich 2020
Lob an Orga-Chef Hari Maier für den echt spannenden Kongress. Foto (c) Saalbach.com

Nicht nur Tourismus, sondern Infrastruktur

Im Laufe des Kongress wurde eines immer klarer: Mountainbiken muss vermehrt als Freizeitangebot für Einheimische gesehen werden, nicht nur als Tourismusprodukt. Rad-Strecken sollten demnach Infrastrukturprojekte sein. Denn die Ausübung steht und fällt mit der richtigen Infrastruktur. Heute kann eine Autobahn durch einen Schutzwald gebaut werden, ein Trail ist aber undenkbar. Millionen für Straßenprojekte sind machbar, ein paar Hundertausend Euro für einen anständigen Radweg allerdings nicht. Karl Morgenbesser von den Wexl Trails hätte dazu zwei Lösungsansätze: Die wichtigsten Facts zu den wiederkehrenden Fragen (z.B. Haftung) aufbereiten und von den Kammern (Landwirtschaftskammer, etc.) absegnen und verbreiten lassen. So wissen die Grundeigentümer, dass sie sich darauf verlassen können. Und ein Pflichtenheft für Gemeinden politisch verankern. Darin könnte festgehalten sein, dass für jede gebaute Straße mind. 10% in Radinfrastrukturprojekte fließen müssen. Wer sich nicht daran hält, zahlt Strafe.

Mountainbike Kongress Österreich 2020
Sportminister Kogler sprach per Videointerview zu den Teilnehmern. Foto (c) Saalbach.com

1 € in Bewegung spart 5 € an Folgekosten

Bewegung ist die beste Vorsorge, darin sind sich Josef Niebauer (Sportmedizin Salzburg) und Swen Malte John (Professor Uni Osnabrück) einig. Anna Kleissner von SportsEconAustria kann das in Zahlen belegen. Nichtbewegung kostet uns in Österreich jährlich 0,7% vom BIP (rund 2 Milliarden Euro). Würden wir uns nur 10% mehr bewegen, hätten wir 120 Millionen € auf der Kante. Oder ganz simpel ausgedrückt: Ein in Bewegung investierter Euro erspart 5 € an Folgekosten. Das beliebte Argument gegen’s Biken – es sei ein Risikosport – kann sie entkräften: die positiven Effekte durch Bewegung überwiegen die Kosten durch Sportunfälle bei weitem. Wie schaffen wir es aber, Bewegung zu forcieren? Josef Niebauer setzt in der Klinik auf kreative Anreize: Vergünstigungen für Rad-Pendler, Öffi-Tickets oder das Privileg, sich als erster in den Dienstkalender einzutragen, wenn man nachhaltig in die Arbeit kommt. Das kann jeder Arbeitgeber umsetzen – und wirkt sich positiv auf die Kosten aus (z.B. weniger Parkplätze notwendig, weniger Krankenstände durch gesündere Mitarbeiter). Aus Sicht von Anna Kleissner wirken vor allem finanzielle Anreize, aber auch alternative Wege, wie beispielsweise verpflichtende 1,5 Stunden Sport während der Arbeitszeit.

Ski-Nation = Bike-Nation?

Österreich ist eine Ski-Nation. Wie schaffen wir es eine Bike-Nation zu werden? Das wurde am letzten Tag des Mountainbike Kongress in Saalbach diskutiert. Dabei stellte sich die Frage: sind wir nicht schon eine Bike-Nation? Der typische Österreicher ist im Schnitt 1-2 Wochen pro Jahr Skifahrer und leiht sich sein Sportgerät. Hingegen sind rund 1,2 Millionen Österreicher Radfahrer und besitzen ihr Sportgerät. Ergo sind wir viel mehr Rad- als Skifahrer. Selbst Idole gibt’s aktuell die besten. Fabio Wibmer (5,57 Mio. Youtube-Abonnenten) und Vali Höll (17.000) brauchen sich nicht vor Marcel Hirscher (14.700) und Dominic Thiem (38.700) verstecken. Selbst der Sportminister hält per Videobotschaft fest: „Biken kann der neue Skisport sein. Wir wollen das aktiv mitgestalten, nicht im Windschatten.“ Dennoch ist in den Medien kaum die Rede von der heuer stattfindenden Mountainbike Heim-WM und Mountainbiken ist noch weit weg von gesellschaftsfähig („Das ist nur was für Verrückte!“). An was happert’s? Vor allem am fehlenden Marketing. Es gibt in Österreich keinen, der die Marke „Mountainbike“ vorantreibt. Wir haben eine boomende Industrie, einen boomenden Sport, aber niemanden der sich um das Image des Bikens kümmert. Ergo wird das von anderen Lobbies für uns erledigt – Konflikte, Unfälle, negative Auswirkungen dominieren die Medienberichterstattung.

Videobotschaft von Sportminister Werner Kogler

Interessensvertretung

Ein Lichtblick in dieser Thematik könnte die Mountainbike Initiative Austria sein. Die in Gründung befindliche Interessensvertretung will genau das: eine Image-Aufwertung des Mountainbikens in Österreich. Und noch einiges mehr: Servicestelle für regionale Initiativen, Vernetzung, Lobbying auf politischer und wirtschaftlicher Ebene, uvm. Alex Pinter und Nina Kraxner – zwei Vertreter der MIA – stellten die Ziele und den weiteren Fahrplan zum Abschluss des Mountainbike Kongress Österreich vor.


Vorbericht

Wenn man in Österreich im Bike-Tourismus etwas weiterbringen möchte, dann muss man beim Mountainbike Kongress in Saalbach dabei sein. Die Speaker sind interessant, die Vorträge ebenso und das Publikum ist ein Who-is-Who der heimischen treibenden Kräfte im MTB-Bereich. Das wird auch bei der fünften Auflage von 29.9.-1.10.2020 so sein.


Vom Jägermeister zum woom-Erfinder

Bike-Urgestein Uli Stanciu ist am Start, ebenso wie Salzburgs Landesjägermeister Max Mayr-Melnhof oder woom-Gründer Marcus Ihlenfeld. Und das ist nur ein kleiner Auszug aus dem Redner-Aufgebot. Damit’s heuer mehr „ins Tun“ geht und weniger vorgetragen wird, hat sich Initiator Hari Maier ein neues, TV-Talk-ähnliches Format überlegt.

Community-Tag

Ganz neu ist beim Mountainbike Kongress heuer der Abschluss. Am 2. Oktober gibt’s einen Community-Tag, der von der neuen Mountainbike Initiative Austria (MIA) organisiert wird. Am Spielberghaus wird von 13 bis 15 Uhr das erste österreichweite Treffen der Initiative veranstaltet und im World Café-Format in Arbeitsgruppen losgewerkelt. Willkommen ist jeder, der den Status Quo des Bikens in Österreich verbessern möchte. Mehr Infos und die Anmeldung gibt’s in der Facebook-Veranstaltung.

Über den Author

Christoph Berger-Schauer

Dicke Schlappen, schmale Reifen, bergauf, bergab – ist für alles zu begeistern, nur flach darf es nicht sein. Unbekehrbarer Fahrrad-Afficionado, seit einiger Zeit vom Enduro-Virus befallen. Schreibt nieder, was andere nicht in Worte fassen können.

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