Rennen um den Ärmel

Florian TischhartGeil wars, Rennen

Foto: @bliemphoto

Im Rahmen des KitzAlps Enduro Race wurden Österreichs schnellste Enduro-Pilot*innen gesucht – und gefunden.


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Das KitzAlps Enduro Race ermittelte nicht nur die schnellsten Enduro-Fahrer*innen des Landes, sondern war gleichzeitig auch der zweite Stopp der enduro.tirol Tour. Ich war bereits beim Serienauftakt in Innsbruck dabei, die turbulente Story dazu gibt’s hier nachzulesen.


Das Rennen vor dem Rennen

Der Plan stand schon lange: Philipp Döller, Lukas Heiss und ich wollten die Enduro ÖM dieses Jahr ins Auge fassen. Hoffentlich mögen uns die 13 Trailpartie-Holzscheitln, die wir mittlerweile zusammen auf die Waage bringen, einen warmen Winter garantieren. Genau deshalb war es längst überfällig, mal aus unserer Komfortzone auszubrechen und gemeinsam bei einem größeren Rennen in der Elite mitzufahren, um unseren Hobbetenstatus auf die Probe zu stellen.

Eine Anmeldung unter hohem Zeitdruck würde für uns kein Problem mehr darstellen, stattdessen wurde am Mittwoch vor der ÖM aber noch wild um die ein oder andere Lizenz gefeilscht. In einem spannenden Thriller wurden in letzter Sekunde doch noch alle bürokratischen Inside Lines erfolgreich bewältigt.


Shakedown

Die Gerüchteküche um die Stages kursierte wild, auf Instagram sah man die ganze Woche über schon Leute auf verschiedensten Trails der Region „zufällig“ fahren. Auch wir hatten eine Vermutung, was die Stages sein könnten und verbrachten im Vorfeld den ein oder anderen Run am Fleckalm-, Gaisberg- & Lisi-Osl-Trail.

Als wir dann am Freitag, gerade in der Region angekommen, bei gefühlten 47 Grad in St. Johann zum Harschbichl Trail hochpedalierten, erhielten wir eine wertvolle Insider-Info: Man könnte sich doch eventuell auch noch den Hahnenkamm Trail anschauen, der sei „prüfungsrelevant“. Eine entspannte Flowtrailrunde am Abend, dagegen gab’s nichts einzuwenden.

Der Trail flowte ziemlich schnell nach unten, bis wir auf einmal einem interessanten Hindernis begegneten: Ein Holzzaun mit enger Schikane als Durchfahrt. Dieser sollte dazu dienen, die Biker vor dem querenden Wanderweg zu entschleunigen. Was im alltäglichen Bikebetrieb Sinn macht, wäre im Rennen aber Gift. So verbrachten wir gut eine halbe Stunde dort, und jeder fasste seine Interpretation der Stelle ins Auge (durch, drüber oder dran vorbei).


Training

Struggle was real

Die Stages waren offiziell kommuniziert, der Gerüchteküche wurde somit ein Ende gesetzt. Vor Stage 1 gab es noch ein kleines Hindernis, denn die beiden Youngsters, die uns begleiteten, waren mit dem Regelwerk noch nicht weit genug vertraut, dass sie Handschuhe zum Training mitnahmen. Ohne Handschuhe starten war laut Regelhütern vor Ort auch im Training keine Option. Runterfahren welche holen bzw. kaufen und wieder rauffahren war aber auch nicht möglich. Das wäre sich nicht mehr im Rahmen der verpflichtenden Trainingszeit ausgegangen, was bedeutet hätte, dass die beiden nicht am Rennen teilnehmen hätten dürfen.

Just my two cents..

Vorneweg: Ja, es ist Vorschrift, im Training die volle Schutzausrüstung (Fullface-Helm, Knie- & Rückenprotektoren, Langfingerhandschuhe, kurzes oder langes Trikot) zu tragen. Ja, es dient auch der Sicherheit und Fairness, wenn drauf geschaut wird.

Nun ist es aber auch so, dass man der Zukunft des Sports nicht unbedingt einen Gefallen tut, wenn man zwei motivierte 17-jährige, die das erste mal bei einem Rennen dieser Größenordnung (in der Open Kategorie) mitfahren, sich Startgeld & Bike-Card mit dem Sommerjob selbst bezahlt haben und 5 Stunden am Vorabend allein mit dem Zug angereist sind, an der ersten Stage wieder heimschickt, weil sie keine Handschuhe dabei hatten. Vielleicht darf man sich bissl mehr Feingefühl erhoffen in Zukunft.

Nichtsdestotrotz ließen sich die beiden nicht unterkriegen, pedalierten zurück zur Bergstation in der Hoffnung auf etwaige Fundkisten-Handschuhe dort. Solche gab es nicht, dafür aber Einweg-Plastikhandschuhe aus dem Erste-Hilfe-Koffer. Rutschiges Plastik in Kombi mit Schweiß machte die ganze Angelegenheit zwar nicht unbedingt safer, aber zumindest regelkonform.

Ein Fashion-Statement sind sie allemal.

Stages

Es ging nun wirklich los ins Training. Stage 1 war der obere Teil des Hahnenkamm Trails, eine kurze, flowige Stage mit genialer Aussicht. Stage 2 war, nach etwas Downhill-Transfer, die untere Sektion des Hahnenkamm Trails. Keine der Stages bot viel Linienwahl, eigentlich musste man nur gut & sauber Anlieger fahren können.

Stage 4 fand bei den OD-Trails statt und war eine kurze, aber witzige Kombi aus steilem Loamer und Mini-Bikepark Line. Anschließend wurde Stage 3 trainiert, der Harschbichl Trail in St. Johann, der mit einigen neuen Varianten über Off-Camber Wiese für Abwechslung sorgte.

Aufgrund der knapp 30 Grad wählten wir als Shuttle nach Kirchberg zu den letzten beiden Stages die wohlklimatisierte S-Bahn, bevor es mit der Fleckalmbahn nach oben ging. Der Fleckalm Trail ist ein Enduro-Klassiker und war schon in der Frühzeit des Sports Austragungsort hochkarätiger Rennen. Stage 5 war der obere Teil, Stage 6 der untere.


Murphys Law 2.0

Nach etwa 2 Minuten auf Stage 5 musste man per Holzrampe einen Weidezaun überfahren, bzw. mit dem vorherrschenden Trailspeed dann eher überspringen. Zweiteres, und die Landung in die flache Wiese gefiel meinem Bike nicht so gut, denn es krachte ziemlich schirch. Der Rocker meines Rahmens hatte dem Impact nachgegeben. Samstag 15:30. Woher bekomme ich jetzt ein Ersatzteil? Kann ich mir ein Bike für Sonntag ausborgen? An diesem Punkt die ÖM beenden war für mich irgendwie auch keine Option.

Naja, 1x kurz drüber schmunzeln, irgendwie runterkommen und nach Lösungen suchen war angesagt. Ich fragte alle Markenkollegen, ob jemand ein passendes Ersatzteil hatte. Die Chance war nicht hoch, aber never zero. Tatsächlich hatte jemand einen Rahmen mit passendem Teil herumliegen, daheim in Innsbruck. Während die anderen am See chillten, gemütlich Carbs auffüllten und früh zu Bett gingen, machte ich mich am Weg zu meinem rettenden Ersatzteil, das ich gegen Mitternacht dann auch eingebaut hatte. Keine ideale Vorbereitung, aber immerhin konnte ich mitfahren.

Vorbildhaftes Pre-Race Dinner-Date mit meinem neuen Rocker Link.

Raceday

Warm-Up Stages

Nach dem Rollout in 10er Gruppen ging es direkt per Fleckalmbahn und einem kurzen Transfer zur ersten Stage. Während der Name Hahnenkamm normalerweise für zittrige Knie sorgt, war Stage 1 die ideale Stage zum munter werden, denn sie war kurz und flowig, verlangte aber trotzdem Konzentration und Watt auf den Pedalen. Ich kam recht vernünftig durch, fühlte mich aber noch bisschen unbeweglich am Radl.

Fotos: @bliemphoto

Stage 2 folgte wenig später. Der berüchtigte Holzzaun wurde fürs Rennen entfernt. Hier erwischte ich fast alles nach Plan, wusste aber, dass mir die Stage nicht wirklich lag. Ein kleiner Vorderradrutscher samt „am-Hang-anlehnen“ kostete dann noch die ein oder andere Sekunde, aber noch war nichts verloren (außer meine Trinkflasche).


Ausflug nach St. Johann

Es folgte ein langer, aber entspannter Transfer über ruhige Nebenstraßen nach St. Johann, wo dann ca. 400 hm zu Stage 3 zu bewältigen waren. Hier war ich dann froh über den frühen Rollout am Morgen, denn die Mittagssonne hatte noch nicht ihren Zenit erreicht. Im Uphill wurde das erste mal das Live Timing angeworfen. Wir waren alle recht hyped, als wir den Stage Win vom Valentin Frey auf Stage 1 sahen. Ich fand mich auf P15 & P19 jeweils. Die Labestation bot eine willkommene Erfrischung, bevor es wenige Höhenmeter später an den Start der Stage ging.

Auf Stage 3 versuchte ich, so geduldig wie nötig und kraftsparsam wie möglich zu fahren, da im unteren Teil nach zahlreichen mehr oder weniger flowigen Flowtrail-Abschnitten ein Gegenanstieg wartete. Im Flowtrail erwischte ich quasi alles nach Plan (auch die berüchtigte Inside durch den Drainage-Anlieger), den Anstieg kurbelte ich im Sitzen mit Dropper draußen. So hatte ich unten immer noch das Gefühl, aktiv fahren zu können und war fast etwas überrascht, als ich am Ende noch Saft hatte. P9 auf der Stage.

Fotos: @bliemphoto

Die Schlüsselstelle am Start von Stage 4 wurde noch kurz begutachtet, und dann gings schon los. 30 Sekunden Loamer, dann 40 Sekunden Highspeed im Mini-Bikepark und der Spuk war vorbei. Alles lief nach Plan. P13 auf der Stage.


The Real Stuff

Nach einer edlen Stärkung bei der nächsten Labestation folgte ein langer, aber landschaftlich schöner Transfer nach Kirchberg zurück, bevor es auf die letzten zwei Stages ging. Stage 5 legte ich nach meiner Erfahrung vom Vortag generell gemütlicher an, zu tief war das Knackgeräusch noch in meinem Kopf präsent. Über die Weidezaun-Rampe bremste ich vorsichtshalber, dann versuchte ich zu pushen. Das gelang mir leider nur mäßig, dafür kam ich ohne massiven F-Up durch. Mein Gefühl täuschte mich aber nicht, da wäre mehr drin gewesen. P15 auf der Stage.

Die letzte Stage wäre eigentlich meine Lieblingsstage, hier machte es sich aber bemerkbar, dass ich die neu abgesteckten Varianten nicht wirklich besichtigen konnte am Vortag. Zudem merkte ich, dass ich doch schon 5 Stages gefahren bin und nicht mehr ganz frisch war. 50 Meter vor dem Ziel parkte ich mich noch mal ordentlich ein unterhalb eines Wurzelfeldes. Die Stage hat irre Spaß gemacht, aber ich war heilfroh, als ich endlich das SportIdent-Kastl erblickte. P16 auf der Stage. Abklatschen, in den Schatten und eine Erfrischung genehmigen.


Am Ende des Tages

Nachdem alle im Ziel waren, fand ich mich erschöpft und zufrieden auf P13 in Elite wieder. In der ÖM Wertung reichte es sogar für P10. Der Hype war real, denn auch Philipp und Lukas konnten sich sehr stark auf P6 und P9 in der ÖM platzieren.

Die neuen Österreich-Ärmel-Träger heißen Hanna Steinthaler (zum zweiten Mal) & Kevin Maderegger, mehr dazu hier.


Wer sich mit eigenen Augen in eine Enduro ÖM hineinversetzen will, für den hab ich als Kamerakind alle sechs Stages auch mitgefilmt.


Großes Danke

an Steffen, der mir durch seine Hilfsbereitschaft die Rennteilnahme am Sonntag erst ermöglicht hat, an das Bike-Academy Team und das enduro.tirol Team für das lässige Rennen sowie an alle Helferleins rund um die Strecke.

Über den Author

Florian Tischhart

Startnummernsammler, fast so viel im Zug wie am Radl, immer Inside Line.

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