36 Grad und es wird noch heißer

Florian TischhartGeil wars, Rennen

Fotos: @haukesphotography – Hauke Hanisch

Beim enduro.tirol Saisonauftakt im Bikepark Innsbruck galt es, einen kühlen Kopf zu bewahren.


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Freitag, 6:57 – Frisch aus einem spontanen Mid-Season Service (um die Geräuschkulisse nach zahlreichen Bikepark-Eskapaden zu reduzieren), stieg ich mit meinem Bike in die Westbahn. Endlich wieder Rennen fahren, die Vorfreude war groß.


Shakedown

Der ursprüngliche Plan, bereits am Freitag meine Streckenkenntnis im Bikepark aufzufrischen, wurde mangels Motivation aufgrund der Hitze verworfen. Stattdessen hieß es gemütlich Kaffee trinken und später noch eine Feierabendrunde zum Checken, ob am Bike alles passt.

Die Runde mit den Innsbrucker Klassikern Arzler Alm Trail, Stadtwald Trail, Hungerburg Trail und ****** **** lässt sich ideal mit Klimaticket-Shuttle erleichtern. Ein Luxus, an den ich mich gewöhnen könnte.


Training

Samstag, 9:30 – Die Startnummern sind montiert, auf ging’s zum ersten Trainingsrun. Sechs Stages waren am Sonntag zu racen, diese hatten jeweils fixe Trainingszeiten. Für mich hieß es, extra aufmerksam sein im Training, da sich mein Vorwissen über die Strecken in Grenzen hielt. Immerhin war ich einmal zuvor im Bikepark Innsbruck und kann mich an einige Lines erinnern. Ausreichender Wettbewerbsvorteil war das bei den zahlreichen Locals auf der Startliste aber sicherlich keiner.

Der erste Run fühlte sich an, als würd ich noch 1-2 Espressi vertragen, doch beim zweiten mal ließen sich die beiden Stages in Götzens bereits fast in gewohnter Manier befahren. Auch die weiteren Stages fühlten sich im Training gut an, die ein oder andere kreative Line wurde abgespeichert.

Prolog

Samstag, 17:30 – Was echte Trailpartie-Veteranen nur als Spaßveranstaltung kennen, ist bei enduro.tirol bereits knallhartes Racing. Am Samstagabend wurde als Einstimmung Stage 6 geraced, eine Melange aus Downhill-Strecke, Flowtrail und dem Crankworx Dual-Slalom Kurs. Das Ergebnis bestimmt die Startblöcke für Sonntag, daher können Stürze und Pannen fatal sein.

Leider machte sich meine Müdigkeit etwas bemerkbar. Zum Glück sah ich im Uphill noch rechtzeitig, dass meine kreative Line nun abgebandelt war. So gelang es mir zwar, ohne grobe Fehler durchzukommen, aber vom Gefühl her eher träge. Meine Intuition täuschte mich nicht. P13 in der Elite, P25 Overall war mein Ausgangspunkt für Sonntag.

Fotos: @haukesphotography – Hauke Hanisch

Raceday

Sonntag, 10:02 – Ich lud mein Bike in die Stubaitalbahn, nebenan erklärte ein Fremdenführer einer Pensionistengruppe deren über 100-jährige Geschichte. Sehr interessant, doch der Fakt, dass man in Innsbruck mit der Bim in den Bikepark fahren kann, ist fast noch besser.

Im Bikepark angekommen ging es nach einem Espresso direkt mit der Gondel zu Stage 1. Ein kurzes Aufwärmen genügte, denn nach gut 100 m folgte mit einem knackigen Gegenanstieg bereits das echte Warm-Up. Der Rest der Stage war dann der obere Teil des „The First One“. Stage 2 war der erste Teil des „The Straight One“, den viele auch als Crankworx-Downhill Strecke kennen. Ich versuchte, auf beiden Stages zu pushen, fand aber keinen richtigen Rhythmus.

Fotos: @haukesphotography – Hauke Hanisch

Nach Stage 2 ging es in einen schweißtreibenden Uphill, in der gnadenlosen Mittagssonne waren 550 hm abzuspulen. Schutzausrüstung und Kleidung wurde auf das nötigste (& vorgeschriebene) reduziert. Wenn Luftkühlung bei einem Porsche 911 funktioniert, warum dann nicht bei schnellen Radlfahrern? Zusätzlich verschafften die exzellente Labestation und der Wasserspielplatz eine willkommene Erfrischung, und so verflogen die Höhenmeter schneller als erwartet.

Endlich Racespeed

Der Kollege ist am besten Weg, sich Innsbrucker Legendenstatus zu sichern.
Foto: @haukesphotography – Hauke Hanisch

Meine Vorfreude stieg, denn für Stages 3 & 4 ging es Richtung Götzens, eine meiner Lieblings-Bikeparkstrecken. Stage 3 war der „The Wild One“, wo aufgrund genialer Aussicht und hohem Top-Speed direkt Schladming-Gefühle aufkamen. Etwa nach einer Minute in der Stage merkte ich, dass anscheinend trotz Kettenführung meine Kette draußen war. Kurz ärgerte ich mich, dann fiel mir ein, dass man da eigentlich eh nicht treten musste. Mit Aaron Gwin vor Augen versuchte ich, flüssig zu fahren, zu pumpen und pushen wo nur geht. Sei es Einbildung oder Wahrheit, aber so ein Radl liegt ohne Kette schon wesentlich besser am Trail.

Zufrieden blickte ich im Ziel auf’s Live-Timing, P13 Overall auf der Stage. Ich habe endlich meinen Race-Mode gefunden. Eines der Kettenglieder war gut verdreht, daher dürfte die Kette abgesprungen sein. Kettenglied rausnehmen, Kettenschloss rein und weiter ging’s.

Stage 4, „The Rough One“ hat seinen Namen redlich verdient. Endlos viele Wurzeln erlaubten endlos viele Line Choices. Hier konnte ich den Schwung von Stage 3 gut mitnehmen und konnte mich mit ein paar kleineren Hackern auf P12 Overall platzieren.

Murphy’s Law

Entgegen des ursprünglichen Plans, von Stage 4 zur Nockspitzbahn-Mittelstation zu treten, durften wir den Rough One nach Stage-Ende noch nach unten fahren und dort einsteigen. Ich liebe den unteren Teil, und mit dem Rückenwind von 2 soliden Stages ließ ich es gleich noch mehr stehen. Zu viel, wie sich herausstellte, denn beim Sprung von einer Holzbrücke in der Anfahrt auf ein Gap folgte eines der schirchsten Geräusche, die ich je am Radl gehört hab.


„KRrRrCK“

Der Moment, der mich an Stage 5 und 6 zweifeln ließ

Ich bin anscheinend genau am Licht-Schatten Wechsel auf irgendwas (Wurzel oder Stein) mit dem Hinterrad eingeschlagen. Eine Begutachtung zeigte schnell das Schadensausmaß in Form einer gebrochenen Carbonfelge.

„Man kann Bilder nicht hören.“

„Jetzt aufhören? Genau wo ich Race Pace gefunden hab? Na. Ich hab bisher noch jedes Rennen ins Ziel bracht. Was schreib ich dann überhaupt in den Lines Artikel?“

Meine Gedanken an Ort und Stelle

Es war ein neues Felgenband drin, der Reifen war neu und Insert war auch drin. So hielt der Reifen zumindest einigermaßen die Luft und ich rollte mit größter Sorgfalt zur Talstation.

Nach einem mäßig erfolgreichen Reparaturversuch mit Kabelbindern sah ich im Lifthäuschen eine Rolle schwarzes Gold liegen. Da sah ich meine Chance. Mit mehreren Lagen Duct Tape in verschiedene Richtungen (Vorbild Carbon-Layup) verstärkte ich die Felge ausreichend, sodass a) die Luft in vernachlässigbarem Tempo ausging und b) die Stabilität zumindest ein bisschen erhöht wurde.

Duct Tape hält die Welt zusammen.

Schadensbegrenzung

Gondel rauf, nochmal Luft auffüllen und weiter gings zu Stage 5, dem oberen Teil des „The Straight One“. Ich versuchte, so smooth und flüssig wie möglich zu fahren, nahm vor roughen Abschnitten bissl Tempo raus und kam ziemlich clean durch. Die Felge fühlte sich merklich weicher an als normal, die Luft hielt sie aber und auch der Seitenschlag war überschaubar. Ein Blick aufs Live Timing sagte mir, dass das Rezept einigermaßen funktionierte. P19 auf der Stage.

Stage 5 bot den höchsten Loamer-Anteil.
Foto @haukesphotography – Hauke Hanisch

Die letzte Stage war zwar sehr kurz, aber mit einigen Stellen gespickt, die ein angeschlagenes Laufrad killen könnten. Ein abschließender Blick aufs Live-Timing zeigte mir, dass ich nach vorne knapp eine Sekunde aufholen müsste, und nach hinten ein Polster von zehn Sekunden hatte. Da mir der Gedanke an Carbonfasern, die mir um die Ohren fliegen, nicht so gefiel, sagte ich mir, dass ich einfach meine Position easy ins Ziel bringen möchte. Gesagt, getan! Ein Cruiser Run und schon war das Rennen für mich erledigt. Ende gut, alles gut!

High Speed Richtung Ziellinie.
Foto @haukesphotography – Hauke Hanisch

Am Ende des Tages

Gewonnen wurde das Rennen von Hanna Steinthaler und Felix Bauer, die somit auch die Gesamtwertung anführen.

Fotos: @haukesphotography – Hauke Hanisch


Für mich reichte es am Ende zu P9 in der Elite (P14 Overall), ein Ergebnis, das ich unter den Umständen mit fettem Grinser mitnehme.


Über den Author

Florian Tischhart

Startnummernsammler, fast so viel im Zug wie am Radl, immer Inside Line.

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