All-in in Sölden

Florian TischhartGeil wars, Rennen

Foto: @haukesphotography – Hauke Hanisch

Der dritte Stopp der enduro.tirol Tour fand letztes Wochenende in der Bike-Republic Sölden statt.


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Andere Bike-Regionen haben Festivals, die Bike-Republic Sölden hat überhaupt gleich einen Nationalfeiertag. Im Rahmen dieses „Feiertags“-Wochenendes mit Festivalcharakter fand das dritte enduro.tirol Rennen des Jahres statt.

Ich durfte bereits bei den ersten beiden Rennen der Serie mitfahren und jeweils darüber schreiben. Nachdem das Material sowohl in Innsbruck (nachzulesen hier), als auch in Kirchberg (nachzulesen hier) anstatt mit mir eher gegen mich arbeitete, war es mal Zeit, mein Bike ohne groben Pfusch in einem Stück ins enduro.tirol Ziel zu bringen.

Preview

Freitag, 7:35 – Noch vor meinem ersten Kaffee hob ich mein Bike in Wien Meidling in das Railjet-Radabteil. In den 4:35 h bis Ötztal Bahnhof blieb schließlich genug Zeit für Heißgetränke, und auch für einen kurzen virtuellen Location-Check. Zwei mal davor war ich bereits in der Bike-Republic Sölden. Leiterberg-, Nene- & Fernar-Trail waren mir geläufige Begriffe, und auch wenn ich nicht mehr jede Kurve kannte, so wusste ich doch ungefähr, was mich erwartete. Umso größer war die Vorfreude, mal dort racen zu können. Die Wettervorhersage sagte Sonnenschein und zweistellige Sonnenstunden jeden Tag, es hätte nicht besser sein können.

Meine Recherche vorab ergab, dass es anscheinend von Ötztal Bahnhof einen Bus gibt, der mit Bike-Anhänger Bikes kostenlos nach Sölden rauf bringt. Dass es den Bus tatsächlich gibt, weiß ich noch von einer spontanen Timmelsjoch-Shuttle-Aktion vor ein paar Jahren. Was ich aber nicht wusste (und auch die ÖBB App nicht): Dass nicht jeder Bus Bikes mitnimmt. So musste ich eine halbe Stunde auf den nächsten Bus warten. In meinem Fall kein Drama, aber das sollte man beim nächsten mal bedenken und vorab im Fahrplan checken. Dass Bike-Regionen bewusst das Thema öffentliche Anreise mehr und mehr aufgreifen und ermöglichen, ist jedenfalls positiv zu erwähnen.


Shakedown

Nach etwas über einer Stunde Busfahrt in Sölden angekommen, machte ich mich direkt auf zum Lift. Zum Einfahren waren die Murmelbahnen (no offense) genau richtig, bevor es auf den zufällig schon gebandelten Nene Trail ging. Wer den nicht kennt, dem sei gesagt: Dort schepperts gewaltig. Am Abend wurden dann die Stages offiziell kommuniziert. Wer bei einem Sölden-Rennen mit einer Flowtrailrunde rechnete, war eher fehl am Platz.


Training

Nach einigen Anreise-Struggles war unsere spontan abgesprochene Gruppe pünktlich zum Riders Briefing vollständig. Gemeinsam mit Anton Keck, Bernhard Samek und Nils Potyka machte ich mich auf zur Trainingsrunde. Die Stage-Reihenfolge war egal, doch aufgrund der starken Herbstsonne entschieden wir uns, zuerst die 600 Höhenmeter zur Kleble-Alm zu pedalieren, bevor es zu den Gondel-Stages ging.

Auf Söldens stiller Seite waren zwei kurze Stages am Kleble-Alm-Trail zu fahren, einem wanderwegartigen Shared Trail. Trotz der überschaubaren Stagelängen übersahen wir beim Schmäh führen und Sections doppelt fahren etwas die Zeit, sodass wir dann am Weg zu den anderen Stages etwas racen mussten, um die Trainingszeit einhalten zu können.

Fotos: @haukesphotography – Hauke Hanisch

Die anderen Stages waren der Nene Trail (auf drei Stages aufgeteilt) und der untere Teil des Leiterberg Trails. Auch die gingen sich schlussendlich easier aus als befürchtet, und zum Ende hin hatten wir alle ein gutes Gefühl.


Zur Feier des Tages gab es noch Flowtrail Laps und Nils gewann beinahe den Bunnyhop Contest. Als mediales Highlight versuchten sich Nils und das Organisationsteam obendrauf noch als Reindl-Mullet-Coiffeurs, wobei sich die Kundschaft leider in Grenzen hielt.

Nach einer gründlichen Bikepflege und einem Race-Prep Meal (Pizza & Bier) wurde schließlich als Abendprogramm der Tower of Recovery aktiviert. Wegen einer gefühlten Stunde stretchen und Blackrollen fühlte ich mich wie ein neuer Mensch und schlief direkt ein.


Raceday

Guter Schlaf, ausgiebiges Frühstück, Traumwetter und eine humane Rollout-Uhrzeit (10:45), so könnte gerne jeder Renntag anfangen. Nils sicherte sich den Holeshot in unserer Startgruppe und wir machten uns auf zur Giggijochbahn. Über Murmelbahn und Leiterberg Trail ging es als Warm-Up zur ersten Stage. Mit einem fetten Grinser transferierten wir im Renntempo durch den steilen Waldabschnitt am Leiterberg Trail. Genau als ich wehmütig trauerte, diese Section nicht als Stage zu fahren, verlor ich aus einer Highline raus das Vorderrad und legte mich direkt nieder. Vielleicht war es doch gut, dass die Stage erst zwei Kurven später begann.

Stage 1 war hart. Richtig hart. Von den knapp vier Minuten querte man gefühlt drei Minuten lang in einem Auf-und-Ab den Hang. Richtig ready fühlte ich mich am Start nicht, doch der Puls war spätestens am zweiten Stich direkt im tiefroten Bereich. Ich versuchte nicht zu sprinten, sondern im sitzen möglichst konstanten Vortrieb zu erzeugen. Das funktionierte ganz okay, aber im Ziel brauchte ich richtig lang, um wieder normal zu atmen und musste mich sogar kurz hinsetzen. Die Lunge brannte, der Hals war trocken und die Beine fühlten sich an, als wären sie gerade hinterm Vingegaard Alpe d’Huez raufgefahren. Der Blick aufs Live-Timing zeigte P7 Overall: Grund genug, um sich schnell wieder aufzuraffen.


Zu Stage 2 und 3 mussten wir über 600 hm zur Kleble Alm hochtreten. Trotz Ötztaler Höhenlage und herbstlicher Jahreszeit war es sehr warm. Nils wusste sich (wie immer) gut zu helfen und entledigte sich (fast) aller Kleidung, nur der Helm blieb konform am Kopf. Getrieben von Gummibären und Musik (wie immer) verging der Uphill doppelt so schnell wie am Vortag. Oben angekommen klagten einige immer noch über Hustenanfälle. Die trockene Luft und Stage 1 dürfte allen etwas zugesetzt haben.

Stage 2 war ein kurzer, aber schneller Abschnitt des Kleble-Alm Trails. Ich fand irgendwie nicht ins Fahren, bremste entweder zu früh oder zu spät, und als ich halbwegs die Balance fand, war der Spuk schon vorbei. P10 auf der Stage, auf zur nächsten. Als Transfer ging es den Trail weiter nach unten, im Train staubte es wie wild. Stage 3 begann mit einer tricky Spitzkehre, bevor es über einige Stein- & Wurzelpassagen Richtung Ziel ging. Ich war etwas verhalten unterwegs und wusste direkt, da wäre mehr gegangen. P10 auf der Stage, aber die war so kurz, dass da nichts verloren war.


Es ging weiter zur Gaislachkogelbahn, und mit ebendieser nach oben, wo eine Food-Station wartete. Auf den Liegestühlen in der Sonne blieb noch genug Zeit zum Schmäh führen und Live-Timing checken. Alte Trailpartie-Rivalität flammte wieder auf, denn ich lag sieben Sekunden hinterm Nils nach drei Stages, wusste aber aus dem Training, dass mir die drei kommenden Stages vielleicht besser liegen würden als ihm.

Stage 4 war der obere Teil des Nene Trails. Eher flach, schnell und der Abhang nur eine Hand breit entfernt. Ich fand gut in die Stage, es fühlte sich gut an. Bis zur Forststraßenquerung samt Schikane, denn dort klickte ich aus und fand nicht rechtzeitig vor der schnellen Rock-Section ins Pedal. Sketchy AF kam ich zwar durch, aber alles andere als geplant. P7 auf der Stage, aber nochmal fast fünf Sekunden auf den Nils verloren.

Inside am Baum umsetzen oder outside über den Stein?

Stage 5 taugte mir extrem. Die war steiler und bissl loose, man musste auf Linie fahren und es gab eine tricky Kurve, wo man edel umsetzen konnte. Man fühlte sich abwechselnd wie Loic Bruni und Danny MacAskill. Ich erwischte alles nach Plan und ließ nur an wenigen Stellen etwas Reserve. P5 auf der Stage, den Rückstand im internen Duell auf 9 Sekunden verkürzt.


Eine Stage galt es noch zu fahren: Die berüchtigte Stage 6. Dieser untere Teil des Nene Trails war zwar nur etwas über eine Minute lang und hatte in Wahrheit maximal 1-2 Kurven, die den Namen verdienten. Was sie so tricky machte: Die Geschwindigkeit, und der Untergrund, denn es war quasi ein einziger Rockgarden. Bereits im Training hatte ich Sorgen um Reifen und Laufräder, doch bislang blieb alles heil. Ich überlegte, mit exorbitantem Luftdruck zu fahren, wollte aber das gewohnte Fahrgefühl nicht zerstören und beließ es fürs gute Gewissen bei 5 Handpumpen-Hüben fürs Hinterrad.

Fotos: @haukesphotography – Hauke Hanisch

Ich zwang mich, meinem Selbsterhaltungstrieb zu widerstehen und die Bremsen offen zu lassen. All-In. Es schepperte links, rechts, vorne, hinten, doch aufs Material war Verlass. Über die Ziellinie fiel mir ein Stein vom Herzen, im dritten Anlauf endlich ein defektfreies Rennen in Tirol.

„Jetzt hast mich wahrscheinlich!“

Nils zu mir nach Stage 6

In meiner Euphorie bekam ich anfangs gar nicht mit, dass Nils ein gutes Stück auf einem Platten und einer Carbonfelge absolvierte. Während der ramponierte Santa Cruz BMW 360 (Ja das Radl heißt so!) wieder in Schuss gebracht wurde, gabs den Blick ins Live-Timing. P6 auf der Stage. 2 Sekunden vorm Nils nach 6 Stages. Fühlte sich nicht richtig an, aber that’s racing.

Fotos: @haukesphotography – Hauke Hanisch


Am Ende des Tages

Die Sieger in den Pro Elite Klassen hießen wie schon in Innsbruck Hanna Steinthaler und Max Pfeil. Während am Podium jede Menge Traubensaft vergossen wurde, fand ich mich erschöpft auf P6 Overall (P5 Elite) wieder. Kann man nehmen. Es war ein gelungenes Rennwochenende, wo nicht die Stagelänge sondern die Intensität im Vordergrund stand. Man musste All-In gehen, aber dabei keine Fehler machen.

Fotos: @haukesphotography – Hauke Hanisch



Bereits dieses Wochenende gibt’s das enduro.tirol Finale am Kronplatz. Wetterbericht ist traumhaft, Nachnennung ist noch möglich. Ich freue mich & ihr hört von mir.

Über den Author

Florian Tischhart

Startnummernsammler, fast so viel im Zug wie am Radl, immer Inside Line.

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