Mountainbike Kongress. Das hört sich nach Fachtagung an, nach Vorträgen und Powerpoint. Relativ trockene Materie. Der erste Mountainbike Kongress Österreich vom 20.-22. September war all das, nur nicht trocken. Maximal am Trailbautag ein bisserl staubig. // Zum Bericht vom Mountainbike Kongress 2017 geht’s hier
Kongress
Harald Maier, Initiator des Mountainbike Kongress Österreich, sah man an, dass er sich über das gute Ankommen seiner Veranstaltung bei der Premiere freute. Während es beispielsweise in der Schweiz mit dem RIDE Kongress ein beinahe traditionelles Treffen gibt, lud er zum ersten derartigen Event nach Saalbach Hinterglemm. Rund 70 Teilnehmer sowie 15 Vortragende waren seiner Einladung gefolgt. Eine anständige Bilanz für die erste Auflage. // Mountainbike Kongress Webseite | Mountainbike Kongress Facebook-Seite
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Vor allem Touristiker aus den verschiedensten Regionen Österreichs ließen sich den Kongress nicht entgehen. Biketechnisch hochentwickelte Regionen wie Leogang trafen dabei auf Gebiete, die ganz am Anfang ihrer Bike-Karriere stehen oder sogar noch gustierten, in welche Richtung sie sich überhaupt entwickeln wollen. Bikepark? Tourengebiet? Familienregion? Mit Lift, Shuttle oder E-Bike-Uphill? Zum Gros der Touristiker gesellten sich Trailbauer, Fahrer, Gastronomen und andere Personen, die mit dem Bike-Thema zu tun haben. Und da passierte etwas, das in Österreich im Bike-Bereich erstmals geschah und ebenso wichtig wie das Hauptprogramm – die Vorträge – war: Personen aus allen Bereichen des Biken hierzulande vernetzten sich. Regionen, die beim doch relativ jungen Mountainbike-Thema weiter sind, gaben unerfahreren Regionen Tipps, Trailbauer diskutierten untereinander und Touristiker tauschten sich über die verschiedenen Zielgruppen aus. Etliches an Zeit und Ressourcen kann man sich durch einen derartigen Austausch sparen. Beispiel gefällig? Das Land Steiermark verhandelt aktuell Musterverträge für Mountainbikestrecken mit der Landwirtschaftskammer aus. Ein langwieriger Prozess, den Salzburg und Tirol bereits hinter sich haben. Am Kongress stellten die beiden der Steiermark ihre Musterverträge zur Verfügung.
Programm
Wir müssen gestehen, dass wir es erst zum dritten Tag des Mountainbike Kongress nach Saalbach schafften. Da war das Programm bereits in vollem Gange. Trailbautag inklusive Besuch und Test am Hacklberg Trail an Tag 1, Vorträge der folgenden Personen an Tag 2:
Diddie Schneider
Trailbau-Guru und Erbauer des Petzen Flow Country Trails. Vortrag: „11 km Flow oder der Abschied vom Winter“.
Christian Oberlader
Geschäftsführer Bikepark Leogang. Vortrag: „Wie kann der MTB-Tourismus unsere Sommerbilanz verbessern?“
Philipp Foltz
Guide, Reiseveranstalter und Testfahrer seit 1987. Vortrag: „Guiding & Fahrtechnik als Basis zur Wegfreigabe“
Lars Lotze, Georg Schrofner
Ersterer von der Forstorganisation Tiroler Landesregierung, Zweiterer von Salzburger Land Tourismus. Vortrag: „Modell 2.0 – So geht’s in Salzburg & Tirol“
Darco Cazin
Geschäftsführer Allegra Tourismus. Vortrag: „Trail Secrets – Auf was muss beim Traibau geachtet werden“
Harald Maier
Initiator Mountainbike Kongress Österreich. Vortrag & Workshop: „Der unterschätzte Gast – Zielgruppen im MTB-Tourismus“
Ganz schöner Input und mit den gemeinsamen Ausklängen im Spielberghaus kein Wunder, dass sich die gesamte Teilnehmerschaft bei unserem Eintreffen bereits bestens verstand. Gut so. Der letzte Tag sollte in die gleiche Kerbe schlagen und nochmal massig Input in kurzweiliger Form bringen. Hier die Vorträge in der absoluten Kurzversion.
Walter Höll
Hüttenwirt am Spielberghaus in Saalbach. Vortrag: „Abrakradabra. Von der Skihütte zum Bikehotspot“. Walter erzählte, wie sie es schafften am Spielberghaus genau die Sommergäste zu bekommen, die sie wollten. Damit es Spaß macht wenn man sich am Abend als Wirtsleute zu den Tischen setzt und die Sommerauslastung in einer Skiregion hoch ist.
Tobias Woggon
Fotofahrer und Bike-Botschafter für die Lenzerheide. Vortrag: „Kommunikation mit kleinem Budget.“ Content Marketing oder die Wichtigkeit Kunden mit Emotionen anzusprechen. Gute, authentische Ideen sind dabei wichtiger als ein großes Budget.
Ernesto Hutmacher
Inhaber des MTB-Resorts Massa Vecchia in der Toskana. Vortrag: „Herzblut und Kettenöl“. Der Vortrag des gebürtigen Schweizers war mehr eine unglaubliche autobiografische Geschichtsstunde. Vor über 30 Jahren kehrte der ehemalige Formel 1-Mechaniker seiner Heimat den Rücken und zog ohne Italienischkenntnisse in ein baufälliges Haus in der Toskana. Heute hat sein „Albergo“ 81 Betten und über 10 Monate eine fast 90%ige Auslastung. Dennoch setzt er auf Bike Spirit als auf Luxus: Zwei Sterne sind ihm für seine Unterkunft genug und wer vor dem After-Bike-Bier duschen geht, der verliert den Flow.
Andreas Wernik
Bikender Jäger oder jagender Biker. Vortrag: „Interessen am Trail und deren Auswirkungen“. Vielleicht der beste Vortrag des ganzen Kongresses. Prompt kamen Buchungsanfragen an den „Bikejaga“, der beide Seiten kennt. Berichtete neutral, fundiert und mit einer Portion Schmäh über das Konfliktpotenzial im Wald und was aus jagdlicher Sicht wirklich störend ist. Extrem offene Einstellung, von der sich alle ein Stück abschneiden können.
Philipp Kettner
Geschäftsführer Bikepark Brandnertal. Vortrag: „Best Practice – Grundeigentümer“. Der Weg zum ersten Bikepark in Vorarlberg war kein leichter. Das Projekt stand trotz umsichtiger Vorbereitung mehr als einmal auf Messers Schneide. Philipp erzählte über die Erfahrungen am Bürserberg, beispielsweise wie wichtig es ist die Trailbaufirma von Anfang an mit an Bord zu haben oder den Entscheidungsträgern des Projekts ein Best Practice Beispiel aus nächster Nähe zu zeigen – in ihrem Fall ein Ausflug in die Lenzerheide.
Christoph Malin
Journalist, Fotograf und Mitbegründer der Vertriders. Vortrag: „eMTB – das unsichtbare Potential.“ Von den Anfängen mit Juchem Hardtail und Elastomer Gabel spannt er den Bogen zu den heutigen, laut seinen eigenen Erfahrungen, sehr fähigen und spaßbringenden E-Bikes. Eine Nische, die ziemlich sicher bald keine mehr ist.
Werner Taurer
Studiengang Innovation & Management im Tourismus. Vortrag: „Was bedeutet Qualität im MTB-Tourismus“. Bike-Tourismus ist ein junges Thema. Im Gegensatz zum Skifahren – wo beispielsweise Pisten einheitlich kategorisiert und die Anforderungen an ein Ski-Hotel klar sind – sind Standards noch rar. Er diskutierte darüber welche Standards Sinn machen, welche weniger, wo die Trends hingehen.
Was bleibt?
In jedem Fall Aufbruchstimmung. Die Vorträge waren top ausgewählt, die Teilnehmer richtig interessiert und nun untereinander auch vernetzt. Es scheint, als hätten viele Regionen abgewartet und stünden jetzt aber beim Thema Bike in den Startlöchern und möchten da aber wirklich was „G’scheites“ auf die Beine stellen. Der erste Mountainbike Kongress Österreich ist definitiv gut angekommen. So gut, dass die Rufe nach einer weiteren Auflage 2017 schon laut wurden. Die wird’s auch mit Sicherheit geben – irgendwann im September.
Wer sich im Detail für die Vorträge interessiert: Präsentationen und Videoaufzeichnungen folgen in den nächsten Wochen. Für Infos zu den Referenten ist das PDF des Kongressbuches stark zu empfehlen.
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