Fotos: Friedrich Simon Kugi
Es ist so weit, endlich wieder Downhill Worldcup in Österreich. Das Starterfeld aus den heimischen Gefilden kann sich sehen lassen. Was viele noch nicht wissen, dieses Wochenende geht in Leogang ein neues österreichisches Downhill Team an den Start, und nicht irgendeines. Alle Fans eines gewissen Sam Hills werden jetzt mit erhöhtem Puls kämpfen, den Iron Horse steigt nach langer Abstinenz wieder in den Worldcup ein. Aber alles der Reihe nach.
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Unverhofft, aber doch nix neues
Downhill ÖM 2022 am Semmering, ein gewisser Moritz Ribarich steht im Starthäusl. Erst ein paar Tage vor dem Event entscheidet er sich gach doch mitzufahren, könnt‘ ja lustig werden. Dreieinhalb Minuten später rauscht er unten durchs Ziel, und siehe da, am Ende reicht die Zeit für Bronze.
Jaja eh super, aber dass der Moritz kein Nasenbohrer ist, wissen diejenigen, die schon länger in der Szene unterwegs sind. Der Kollege aus Hinterbrühl hat schon einige Erfolge auf seinem Buckel. Aber – in einer Zeit von High Pivot und Telemetriedaten – fährt dieser Ribarich ja wirklich mit einem 14 Jahre alten Iron Horse Sunday aufs Podium. Auf 26 Zoll noch dazu. Kannst nicht erfinden.
Und weil der werte Herr nun zufällig genug UCI-Punkte hat um in Leogang an den Start zu gehen, können sich alle ewigen Nostalgiker sicher sein, dass 26 Zoll wirklich nicht tot ist. Ganz im Gegenteil, wenns für den Semmering reicht, wird Leogang erst recht kein Problem. Auf sich allein gestellt ist der Moritz am Wochenende natürlich nicht. Als Teamchef/Teamkollege/Mechaniker/Physio/Mentaltrainer/Koch ist Julian Neubauer mit von der Partie. Der weiß nicht nur wie man schnell am Radl unterwegs ist (P11 bei der ÖM), sondern kennt sich mit dem Thema Iron Horse besser aus als Sam Hill persönlich. Wir konnten die Sundays von Moritz und Julian genau unter die Lupe nehmen. Auch wenn beide Bikes das gleiche Logo ziert, sie könnten wohl unterschiedlicher nicht sein.
Iron Horse Sunday, Custom AF
Es ist ja eigentlich nichts außergewöhnliches sein Bike hin und wieder komplett zu zerlegen. Wir alle nehmen gern einmal den Inbussatz in die Hand, grade wenn der Hinterbau nach ewigem Missbrauch wie ein Wahnsinniger knarzt. Julian Neubauer hat sein Iron Horse Sunday auch komplett zerlegt, allerdings mit dem Trennschneider. Was sich nach einer manischen Tobsuchtsattacke anhört, ist wahrscheinlich eines der lässigsten Projekte, welches mir bis jetzt untergekommen ist. Denn nachdem der Rahmen in seine Einzelkomponenten zerteilt wurde, ließ Julian das Trumm bei einem befreundeten Schweißer wieder zusammenbasteln. Diesmal allerdings mit neuen Rohrsätzen und einer Geo, die in meinen Augen wohl gleich zeitlos wie das Radl selbst ist.
Wer denkt, dass jetzt ganz klassisch Reifendruck, Lenkerbreite und vielleicht ein bisser Fahrwerkssetup angeführt wird, hat sich getäuscht. Selten wurde ich mit so vielen Daten zu einem Radl überflutet. „Custom“ ist beim diesem Radl Programm.
Der von Hand zerteilte und danach wieder neu zusammengeschweißte Rahmen geht definitiv als Größe XL durch, dem Zeitgeist entsprechend setzt Julian bei den Laufrädern auf eine Mullet-Konfiguration. Die genauen Daten zur Rahmengeometrie (und mehr) findet ihr in folgender Liste.
- Laufradgröße: 29″ vorne / 27.5″ hinten
- Reach: 475 mm
- Kettenstrebenlänge: 460 mm
- Front Center: 840 mm
- Radstand: 1300 mm
- FC/RC Ratio: ~ 1.83
- Tretlagerhöhe: 340 mm
- Lenkwinkel: ~ 63°
- Fork Offset: 48 mm
- Gewicht: 19 kg
Dass das Radl im originalen Monster Energy Design beklebt wurde, ist selbstverständlich. Das einzigartige Konzept hört jedoch nicht beim Rahmen auf, die Gabel ist mindestens ebenso legendär. Was auf den ersten Blick aussieht wie eine ganz normale Boxxer, setzt sich in Wirklichkeit aus einem Lyrik-Casting, Boxxer Standrohren und selbstgefräßten Brücken zusammen. Auf der Dämpfungsseite arbeitet ein Charger-Kartusche, selbstverständlich mit ein High Flow Piston Tuning (oder so). Anstelle von Luft setzt Julian auf eine Stahlfeder von Raceonlysprings. Im Hinterbau werkelt ein RockShox Vivid 5.1, uralt aber mit einem richtig feinen Tune. Herz, was brauchst du mehr?
Abgerundet wird das Ganze mit Laufrädern von DT-Swiss, auf denen feinster Maxxis-Gummi für Bodenhaftung sorgt. Verzögert wird mit zwei Code RSCs, auch der Antrieb stammt aus dem Hause Sram. Ein weiteres Highlight ist das Cockpit, im Renthal-Vorbau werkelt nämlich ein waschechter Motocrosslenker mit einer stolzen Breite von 827mm.
Wirft man einen Blick auf die verbauten Pedale, bluten einem schon fast die Schienbeine. Um mehr Grip zu generieren hat Julian jeden Pin in seine Bohrmaschine eingespannt und mit der Flex zugespitzt. Ich vermute, er tauscht seine Schuhe öfter als seine Reifen, aber der wird schon wissen was er tut!
Iron Horse Sunday, Worldcup Edition
Bei so viel vorhandenem Know-how und einem Kaliber am Steuer wie Moritz Ribarich, möchte man meinen, dass das zweite Bike im Team mindestens gleich akribisch getuned ist, vor allem wenn es dieses Wochenende beim Worldcup am Start ist. Naja, sag ma mal so, fast…
Iron Horse muss Iron Horse bleiben, dachte sich der Mo, und fährt sein Radl deswegen mehr oder weniger so, wie es damals über die Händlertheke ging. Der Rahmen ist stolze 14 Jahre alt (der Moritz war also ganze acht Jahre alt als das Bike zum ersten Mal über die Trails rollte), und im Gegensatz zum Bike des Teamchefs entspricht die Geo immer noch exakt dem Auslieferungzustand.
- Laufradgröße: 26″
- Reach: hat damals anscheinend keinen interessiert (ich konnte wirklich keine Daten finden)
- Kettenstrebenlänge: 438 mm
- Radstand: 1124 mm
- Tretlagerhöhe: 353 mm
- Lenkwinkel: 65°
Bei genauerem Betrachten fällt auf, dass das Oberrohr leicht nach rechts verzogen ist. „Dadurch hast du in Linkskurven einen kleine Vorteil, ich glaub das setzt sich auf die Dauer durch“, erklärt der Besitzer stolz diesen revolutionären Ansatz. Ein Blick auf den Steuersatz zeigt, dass ein bisserl Länge anscheinend doch nicht schadet. Dort ist ein Works-Componends Reach-Adjust drinnen, der noch mal sechs Millimeter herauskitzelt.
An der Front arbeitet eine RockShox Boxxer mit einem „extrem-verfickt-unendlich-geilen Tuning vom Suspension Express in Traiskirchen“, als Pendant dazu im Heck agiert ein auch schon gute 14 Jahre alter Fox DHX 4.0. Das Alter merkt man ihm aber angeblich nicht an. Die Laufräder sind ein bunter Mix aus DT Swiss und Mavic, überzogen mit einer klassischen DHF/DHR2-Kombi in Supertacky. Positiv anzumerken ist auch noch das Vorhandensein fast aller Speichen. Mir wurde versichert, dass vor Leogang wieder alles intakt sein wird, ganz so sicher bin ich mir aber nicht.
Bremsen und Antrieb stammen aus dem Hause Sram. Letzterer könnte als einziges ein wenig Probleme für den bevorstehenden Weltcup-Einsatz bereiten. Während nämlich in irgendeinem UCI Paragraph sieben Gänge für Downhillbikes vorgeschrieben sind, läuft das gute alte Iron Horse auf Singlespeed. „Aber da werd ma im Keller schon noch was finden…“
Ausblick
Wir freuen uns aufs Wochenende und wünschen den Burschen alles Gute. Die Quali am Freitag zu überstehen „wird hart, aber ned unmöglich, die Strecke is auf jeden Fall perfekt fürs 26er“. Wenn ihr vor Ort seid und die Jungs unterstützen wollt, bringt ihnen ein paar Bier vorbei, auch eine warme Dusche in euerm Hotelzimmer schadet ihnen sicher nicht. Wir sind gespannt und drücken die Daumen! #26aintdead
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