Bike Check: Andreas Kolbs Atherton AM.200M

Chris SpathMaterial

Bike Check Andreas Kolbs Atherton AM.200M

Fotos: Chris Spath

Anfang 2021 dürfte für Andi Kolb ein Traum wahr geworden sein: Der schnelle Schladminger wurde ins Atherton Rennteam des erfolgreichen Geschwister-Trios aufgenommen und sollte ab sofort sein Können auf den spannenden Bikes der Briten zur Schau stellen. Beim World Cup in Leogang haben wir uns sein Atherton AM.200M kurz vor seinem ersten Podium und dem ersten Podium eines Österreichers im World Cup genauer angeschaut. Für was das M steht? Magnum, Mustache oder Mullet – finden wir es heraus!

Basis Atherton Bikes AM.200 M Downhill-Rahmen mit Mullet-Setup, 480mm Reach, 636mm Stack & 455mm Kettenstreben
Gabel Fox 40 Factory Float mit Kashima-Standrohren & Grip2 VVC Dämpfung
Dämpfer Fox DHX2 Factory Stahlfederdämpfer mit SLS-Feder
Laufräder Stan’s Flow mit Stan’s E-Sync Naben
Reifen vorne Continental Argotal 29″
Reifen hinten Continental Argotal 27,5″
Bremsen Trickstuff Maxima Bremse mit 203mm Dächle HD Scheiben
Kassette Custom
Kette FSA
Kurbel FSA + OCHAIN Active Spider mit 9° Einsätzen
Schaltung Sram X01 DH
Lenker FSA Gradient Riser, 780mm

Vorbau FSA Gradient
Griffe Odi Elite Flow Lock-on Grips

Pedale Crankbrothers Mallet
Sattel WTB Hightail
Modifikationen Hinterbau mit mehr Flex, angepasste Kettenstrebenlänge, Mudhugger Mudguard, MRP Kettenführung
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Atherton Bikes gibt es seit 2019 – Dan, Gee und Rachel haben gemeinsam mit dem Robot Bike-Gründer Ed Haythornwaite und einem großen Team die Marke aus dem Boden gestampft. Damit sind sie in Personalunion Fahrrad-Hersteller, Bikepark-Bertreiber (übrigens sau gut, spreche aus Erfahrung) und -Bauer, Rennteam-Eigner und -Teamfahrer. Herzstück des Projekts: Definitiv der Rahmen, wo eine lang bewährte Bauweise mit modernsten Fertigungsverfahren kombiniert wird.

Jeder Retro-Stahlrahmen-Fetischist wird beim Anblick eines guten, in Muffenbauweise gefertigten Rahmen schwach – auch beim AM.200M geht es uns da nicht anders: Im Additiven Manufacturing – bzw. Titan 3D-Druck – gefertigte Muffen werden mit Carbon-Rohren zu einem Rahmen verklebt. Lecker! 

Mit besonderer Liebe fürs Detail werden dabei interne Strukturen der Muffen mit gedruckt, Verstärkungen eingefügt oder Hohlräume offen gelassen, um den Rahmen in seiner Stetigkeit zu optimieren. Dank des Laser-Drucks lässt sich die Steifigkeitsoptimierung Hand in Hand mit einer ausgefuchsten Gewichtsoptimierung machen – die Muffen sind erstaunlich leicht. Das Fertigungsverfahren gibt den Teamfahrern die Möglichkeit auch sehr individuell mal Anpassungen zu machen: Andi fährt zum Beispiel einen Hinterbau, mit etwas mehr Flex.

Der zweite große Vorteil des Verfahrens: Anpassungen lassen sich extrem schnell umsetzen. Klar, der Druck der Muffen dauert über einen Tag, die Nachbearbeitung der Muffen soll ganze 16 Stunden in Anspruch nehmen und der Klebstoff muss ein Weilchen aushärten. Wir sprechen hier aber insgesamt von extrem kurzen Zeiträumen, im Vergleich zu einem Prototypenbau aus Carbon oder Alu. Am AM.200M von Andi ist zum Beispiel die Kettenstrebenlänge Custom. Mit 455 mm mag sie für ein Mullet-Bike lang erscheinen, mit dem langen Hauptrahmen erscheint uns das aber ziemlich fein und passend.

Bike Check Andreas Kolbs Atherton AM.200M

Beim Fahrwerk vertraut das Atherton Team seit langen Jahren auf die Kooperation mit Fox Racing Shox, kein Wunder also, dass auch das AM.200M in der Team-Edition auf einem Fox Fahrwerk steht. Vorne regelt die bewährte 40 mit dickem Mudhugger-Mudguard. Hinten setzt Andi auf den DHX2 Stahlfederdämpfer der amerikanischen Renn-Spezialisten. 

Auch hier tauchen wir nochmal kurz ins Nerd-Milieu ab: Während der DHX2 im Rennzirkus gerne gesehen wird, setzt Atherton Bikes aktuell exklusiv auf den dw6-Hinterbau – eine einzigartige Kombination aus VPP- und Horst-Link-Viergelenker. Herkunft des eigenständigen Konzepts war die ursprüngliche Ausrichtung des Robot-Projekts auf Maßrahmen und der damit entstehende Bedarf nach einer Kinematik, die sich einfach an den Fahrertypen anpassen lässt.

Bike Check Andreas Kolbs Atherton AM.200M
Ganz exklusiv: der dw6-Hinterbau.

Beim von Dave Weagle entworfenen Hinterbau-Konzept ist die Kettenstrebe mit zwei kurzen Wippen am Hauptrahmen angebracht, vor der Hinterrad-Achse sitzt aber noch ein Horst-Link-Gelenk in der Kettenstrebe. Laut Weagle soll damit im Konstruktionsprozess eine möglichst unabhängige Anpassung der Kinematik von den Antriebs- und Bremskräften machbar sein. Auch in der Rennanwendung ist das natürlich extrem spannend – ohne Anti-Squat und Anti-Rise jedes mal komplett aufzumischen, lässt sich die Kinematik nach den Ideen der Teamfahrer anpassen.

In Summe also: Maximale Flexibilität bei Geometrie, Hinterbau und Stetigkeit – Testen und Optimieren auf einem ganz anderen Level und mit ganz anderen Möglichkeiten.

Bike Check Andreas Kolbs Atherton AM.200M

Genug über den Rahmen und das Fahrwerk philosophiert: Wie steht es ums restliche Rad? Mit Continental als Titel-Sponsor haben die Athertons einen weiteren langjährigen Partner mit an Bord: Die gerade frische Reifenkollektion ist an allen Rädern des Teams zu sehen. In Leogang war Andi auf dem Intermediate-Reifen Argotal unterwegs. Aufgezogen sind die Gummis auf Stan’s-Flow-Laufrädern. Natürlich alles Mullet.

Mit FSA als Partner des Teams, aber ohne Schaltungssponsor, ist der Antrieb an Andis Bike eine bunte Mischung: FSA Kurbel und Kette, SRAM X01 DH Schaltwerk, ohne SRAM-Kassette. Dazu setzt Andi auf das OCHAIN-System, welches Kettenblatt und Kurbel durch einen Gummi-Puffer entkoppelt und dem Kettenblatt eine Rotation um 9° vor und zurück aus der Nullstellung ermöglicht. Mit diesem speziellen Spider ist inzwischen der halbe World Cup unterwegs, um den Pedalrückschlag zu reduzieren. FSA stellt wiederum das Cockpit und die Sattelstütze. Beim Lenker setzt Andi auf 780 mm Breite und je nach Gefälle der Strecke auf mehr oder weniger Rise – in Leogang entsprechend etwas mehr, um die Front in den Steilstücken oben zu behalten. Komplettiert wird mit einem WTB-Sattel und der MRP-Kettenführung.

Das letzte wirkliche Schmankerl: die Bremsanlage. Perfekt passend zum Manufaktur-Hintergrund fährt das Atherton Team seit einigen Jahren auf Trickstuff Maxima-Bremsen über die Race-Tracks rund um den Globus. Den CNC-gefrästen Wurfanker aus Freiburg fährt Andi mit 203 mm Bremsscheiben, nur echt mit dem Dächle.

Bike Check Andreas Kolbs Atherton AM.200M
Der Wurfanker aus Deutschland.
Über den Author

Chris Spath

Wenn es um Fahrräder geht, ein Freak wie er im Buche steht – vom Schrauber im Grazer Bikeshop Lemur, über die Redaktions-Tätigkeit bei MTB-News.de zum Produktmanager bei bike-components.de – Chris hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Eines hat sich aber nicht geändert: Im Wald trifft man ihn immer noch regelmäßig, auf dem Rad oder bei der Wegpflege!

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