Edel, edler, Titan. Berm Cycles hat mit dem REXX ein Enduro-Hardtail aufgetischt, das erhabener kaum sein könnte. Ob es sich auch so fährt, haben wir über eine Saison lang erforscht.
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Wieviele Radl‘n braucht man als Mountainbike-Enthusiast? Da wäre die XC-Feile zum Leiden und Heizen, für den leidenschaftlichen Genuss ein Enduro. Als Dampfhammer vielleicht noch ein rassiges DH-Bike, fürs Schlechtwetter noch ein Pumptrack- oder Dirtbike. Die unzähligen Nischen und Varianten in diesem Sport wollen abgedeckt sein. Einige will man sicher noch erfahren oder ausprobieren. Ganz der altbewährten N+1 Regel entsprechend. Bikes kann man nicht genug besitzen, aber sie wollen auch art- und zeitgerecht bewegt werden und gut gewartet sein.
Mein persönliches Bedürfnis wurde mit zwei Rädern bisher gestillt: ein Vollblutenduro & ein Gravelbike. Ergo zum Herbrennen und Verbrennen hat es bis dato gereicht, bis aus dem ewigen Eis dieses noble Blech vor der Türe stand…
Ein Traum in Titan
Den Wunsch nach diesem Rahmen hätte ich mir als Jugendlicher einrexen können. „Titan, des fährt ma doch net, zu teuer und zu edel um es dem Buam zu schenken.“ So die Worte des Vaters. „Der is ja nur a Reissteufel.“
Doch zwei Jahrzehnte später und ein paar Anlieger mehr wars dann soweit. Endlich einmal Titan unter mir und nicht in mir, in Form von Schrauben oder Nägeln.
Keep it simple. Die Oberfläche ist in Natura gehalten, gänzlich unbehandelt und rau. Rau darf man eigentlich gar nicht sagen, so samtig weich wie sich die Fingerkuppen an die Oberfläche anschmiegen. Die Schweißnähte reihen sich gleichmäßig hintereinander, keine Ausreißer oder Schweißmaterial zuviel, eine Traumhochzeit sozusagen.
Die Blicke wandern über die endlos schillernde Oberfläche. Der Schriftzug lediglich simpel und puristisch ohne spürbare Vertiefung eingelasert. Die Stimmen im Kopf werden immer lauter, wie soll der Aufbau werden…? Schlicht wie der Rahmen selbst, jedoch nicht zu günstig oder schäbig. Recyclen liegt im Trend, sprich Teile aus dem Fundus werden verwendet. Wie bei einem guten Roten braucht es auch seine Zeit bis eine 36er gut abgelegen ist. Also lieber zum passenden Moment öffnen und aussaufen bevor er in der Dunkelheit vergammelt.
Selbst nach Minuten offenbart der REXX weitere feine Details, wo sich oftmals dann der Wehrmutstropfen oder die kleine Enttäuschung bei so manch anderen Rahmenherstellern versteckt.
Zu fahl und zu plump ist oft die Ausarbeitung so mancher Fräs- oder Guss-Teile. Hier hat BERM jedoch noch bewusst eines draufgelegt. Das liebevolle Design im hinteren Bereich des Rahmens lässt sämtliche Emotionen höher steigen. Skeletoid und zugleich nicht filigran ist hier die Fertigung der Frästeile gelungen.
Selbstgemacht ist’s doch am besten. Spätestens hier wird der Rahmen seinem Preis gerecht, beim ersten Ansetzen der Lagerschalen merkt man die feine & saubere Ausarbeitung sämtlicher Standards.
Keine stumpfe Kante, kein ausgerissenes Gewinde. Schön sowas in Zeiten der Pressfits. Ein ordentliches Gewinde, in diesem Fall BSA wie damals. Etwas Kupferpaste noch drauf um eine mögliche Kontakt-Korrision zu vermeiden und rein damit. Steuersatzschalen, die beinahe schon smooth & criminal in den Rahmen flutschen, lassen jedes Schrauberherz höher schlagen.
Mein persönlicher Favorit jedoch sind die Inlets für die innenverlegten Züge, kein anderer Hersteller hat so dezent seine Fixierpunkte versteckt.
„ Schon schön, so ein Titanblech. Obwohl ich Enduro Hardtails abgeschworen habe.“
Bernhard G.
Danke @bermhard @burton1980 für Audienz und die nette Gastfreundschaft.
Der REXX in Bewegung
Nach den ersten Runden und Metern zeigte sich ein äußerst agiles, kompaktes und verspieltes Fahrverhalten bei sehr guten Klettereigenschaften. Für mich nach rund 10 Jahren Hardtail-Abstinenz eine neue, alte Art des Fahrens.
Mit 178cm Körpergröße und einer Schrittlänge von 89cm passt sich die Rahmengröße Medium wunderbar an meine Körperproportionen an. Die Front fällt nicht ungewöhnlich hoch aus, der Sitzwinkel vernünftig steil.
Nun zum Kontra: Denkt und lenkt man auf seinen Hometrails in guter alter Fully-Manier, so wird man schnell eines Besseren belehrt. Die täglichen Lines werden schnell wieder knackiger und Fehler werden nicht verziehen. Jede noch so kleine Unachtsamkeit wird ohne Verfälschung zurückgeschickt an den Absender.
Weniger schmerzhaft für umgängliche und kommunikative Besitzer eines Titanrahmens sind Fragen und Staunen anderer Enthusiasten am Trail oder vor dem Eissalon seiner Wahl.
Nach wenigen Heimrunden erschloss sich die perfekte Feuertaufe für den REXX. Schneller ausverkauft als so manches Konzert eines heißbegehrten Interpreten sind die allbekannten Trailpartie-Stopps.
Auf den Josiberg Trails, aka die feinsten Wurzelmatten Niederösterreichs, wurde bei feinster Nässe eine Trailpartie für Gatschoholiker organisiert. Völlig unbeeindruckt und voller Härte blieb der Bock auf Spur, egal ob der Abschnitt verwurzelt oder fresh loamy war. Je schneller desto ruhiger das Lenkverhalten, das Heck jedoch nahm alles mit was die Strecke zu bieten hatte. Direkter und ehrlicher kann eine Rückmeldung bei rutschigen Bedingungen gar nicht sein.
„ Wenn du gerne mit einem Skalpell kochst & keine Angst vor verlorenen Fingerkuppen hast, dann ist es dein Herzblatt!“
Susi M.
Die Anpassungsfähigkeit des REXX ließ auch auf den Trails am Präbichl bei Trockenheit nichts dem Zufall über. Sicherlich, für absolute Prügel-Orgien muss man schon masochistische Veranlagungen und Kniegelenke aus Titan besitzen, jedoch will diese Geometrie unersättliches Tempo. Absoluter Spaß-Faktor sind jedoch schnell wechselnde Verhältnisse. Bei harten Bremsmanövern mit Flats bleibt der Rahmen treu in der Spur. Enge und harte Turns spielen dem Fahrer durch die Agilität in die Hände. Mehr, mehr, mehr!
Wenn jemandem die Kniescheiben so treu bleiben wie mir, ist das REXX wahrlich der perfekte Begleiter. Selbst im hochalpinen Gelände in den Dolomiten erhält man die Liebe im Raw Format. Beim robusten und definitiv noch nicht ausgereizten Setup ist ein Gewicht unter 13kg möglich. Den Hund und Magen freuts, denn mehr Platz für eine ordentliche Jause und Leckerlis im Rucksack.
Die klassische Rohrbauweise liegt angenehm und unauffällig auf den Schultern, durch den kurzen Radstand sind im zerlegten Zustand Klettersteige keine Herausforderung mehr. Die verspielte Geometrie lässt jeden Euro-Turn zum Klacks werden. Eine sehr geringe Stand-Over-Height lässt sich durch das stark abfallende Oberrohr realisieren. Schlüsselstellenknacker und Bikebergsteiger hassen diesen Trick!
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