Airtime und Kaffeetrinken

Steffen KanduthGeil wars

Fotos: Markus Frühmann

Zwei Tage lang trainierten die Freeride-Stars Clemens Kaudela, Kathi Kuypers, die Ruso-Brüder und Peter Kaiser mit 40 Youngsters auf den Strecken des Trailcenters Wien. Die Reifen wurden dabei nach Möglichkeit geschont, die Nerven der zusehenden Eltern hingegen weniger.


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Angewandte Physik einmal anders. Wenn der Lehrkörper aus Clemens Kaudela, Kathy Kuypers, Peter Kaiser und den Ruso-Brüdern besteht, wird die Schwerkraft in der Praxis überwunden und Whips gehören zu den Pflichtfächern. Der Stundenplan für den Vienna Trailbrunch sorgte bei den knapp 40 jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für leuchtende Augen. Zwei Tage lang trainierten die Nachwuchstalente mit ihren Idolen auf den Trails an der Hohen Wand Wiese. Vor allem auf der Kenda Line und der Kenda Airline – schließlich fungierte der Reifenhersteller als Sponsor des Camps und die beiden Trails bieten die meiste Airtime.

Und genau darum ging es bei der bereits dritten Auflage des Freestyle Events: fliegen lernen. Die meisten der Kids waren gekommen, um ihre Sprungtechnik zu verfeinern. Wie hoch das Niveau bereits zu Kursbeginn war, zeigten die ersten Laps. Da staunten Peter Kaiser und Elias Ruso nicht schlecht, was ihnen die 10- bis 16-Jährigen vorhüpften. Fette Sidewhips und stylishe Suicide No Hander zählen offenbar zum Standardrepertoire bikender Teenager. „Das sind echt unglaublich viele talentierte Kids“, attestierte Slopestyler Kaiser nach den ersten Runden am Trail, „wenn man denen nachfährt, fragt man sich, was man ihnen überhaupt noch beibringen kann?“

Peter Kaiser referiert, die Youngsters hören gebannt zu.

Lernziel Nac Nac und Suicide No Hander

Doch diese Frage stellte sich nur kurz. Denn die Kids bombardierten ihre Idole gleich von Beginn an mit Fragen zur Technik am Trail und in der Luft. Paul Bodenstein erklärte etwa, dass er den Tabletop Whip lernen will, „statt immer nur straight zu whippen.“ Für Laurenz Malang wiederum lautete das Lernziel: „Der Nac Nac!“ Elias Ruso packte sogleich das Handy aus und filmte alle Eleven seiner Truppe beim großen Table zu Beginn der Kenda Airline. Danach gab es Videoanalyse für jeden einzelnen mit dem Profi.

Elias Ruso bei der Videoanalyse.

Die Jungs – in dieser Gruppe fuhren ausschließlich Buben – hingen förmlich an Rusos Lippen und saugten jeden Tipp wissbegierig auf. Dabei offenbarte der jüngere der beiden Ruso-Brüder sein pädagogisches Talent. Jeder Youngster wurde mit lobenden Worten bedacht, was für leuchtende Augen sorgte. Dazu gab es individuelle Verbesserungsvorschläge und allgemeine Ratschläge zur Sicherheit wie etwa: „Wichtig ist, dass ihr keine Angst vor den Sprüngen habt, aber ihr müsst immer den Respekt bewahren. Auch ich bin immer wieder aufs Neue beeindruckt, wenn ich vor einem großen Kicker stehe und ihn erstmals springe.“


Bunny Hops als Grundtechnik

Neben der Videoanalyse wurde auch den jeweils anderen zugesehen. Denn Kopieren sei durchaus ein Weg, um besser zu werden, wie Peter Kaiser seiner Truppe erklärte: „Ich mache das regelmäßig im Dirt Park, dass ich den anderen zusehe und versuche, mir was von ihnen abzuschauen.“ Dann startete Kaiser mit einer scheinbar banalen, aber umso wichtigeren Grundübung: Bunny Hops. „Um richtig gut zu springen, ist das eine der zentralen Techniken“, erklärte der Profi und legte einen Stock als Übungshindernis auf den Boden. Und während die meisten Kids problemlos die großen Tables überflogen, taten sich beim Stock am Boden plötzlich viele schwerer. Kaisers Training setzte also genau an der richtigen Stelle an.

Lehrer Peter Kaiser.

Neben den Fahrten selbst begeisterte auch das Rundherum beim Vienna Trailbrunch die jungen Wilden. Wann hat man schon Gelegenheit, mit seinen Idolen beim Mittagessen zu tratschen. Und wenn einem Kathi Kuypers nicht nur zeigt, wie man Sprünge meistert, sondern auch die Tomatennudeln schneidet, kann der Tag kaum besser werden. Genauso strahlte auch Ylvie Hillmann, die jüngste Teilnehmerin des Trailbrunchs. „Kathi hat mir heute gezeigt, wie man den Drop auf der Kenda Line springt“, erzählte sie stolz, während sie neben ihrer Heldin die Spaghetti genoss. „Sie ist wirklich unglaublich“, bestätigte Kuypers, „Ylvie sagte plötzlich, dass sie den Drop nun springen will. Dann habe ich ihr nochmal die Grundtechnik erklärt und bin einfach vorgefahren. Der Sprung ist doppelt so groß wie sie, aber sie hat ihn beim ersten Mal perfekt genommen.“ Solche Erinnerungen sind bleibend und Ylvie schwärmte mit leuchtenden Augen: „Die Kathy ist mein neues Vorbild.“


Turnen mit den Profis

Nach der Mittagspause ging es zuerst zum gemeinsamen Aufwärmen. Dabei mimte Daniel Ruso den Vorturner und zeigte den Kids, wie wichtig es ist, vor dem Shredden den Körper dafür bereit zu machen. Und wenn die coolen Ruso-Brüder das sagen, dann machen alle mit, selbst wenn es um Stretching geht. Natürlich durften abschließend die Liegestütze nicht fehlen. Denn, so mahnte Ruso: „Muskeln sind wichtig und dienen als Schutzpolster beim Stürzen.“ Und schon lagen 40 Kids am Boden und machten Liegestütze, was das Zeug hält.

Vorturner Daniel Ruso beim gemeinsamen Aufwärmen für die Nachmittags-Session.

Die Begeisterung der jungen Talente war derart groß, dass die Profis sie am Trail bisweilen etwas einbremsen mussten. Das gelang hervorragend und so war am ganzen Wochenende keine gröbere Blessur unter den Teilnehmenden zu beklagen. Sehr zur Freude der Eltern, die zum Zusehen am Streckenrand standen. Die meisten hatten ihre Youngsters selbst zum Mountainbike-Sport gebracht. Allerdings schien nicht allen bewusst, in welcher Liga ihre Kinder bereits fahren. Und so waren immer wieder erleichterte Seufzer zu vernehmen, wenn ein Train sturzfrei vorbeigezogen war.


Ausnahmetalente und Überflieger

Eines der Ausnahmetalente unter den vielen Rohdiamanten an diesem Wochenende war der 13-jährige Max Hauer aus Grünau im Almtal. Der zierliche junge Mann bewegte sein Bike mit einer Geschmeidigkeit über die Trails, die alle in Staunen versetzte. Und die Whips von Max konnten es mit jenen der Profis aufnehmen, was den Style anging. „Ich will vor allem meine Kurventechnik verbessern“, definierte Max sein Lernziel fürs Wochenende. Zwei Tage lang mit seinem Idol Clemens Kaudela zu shredden, sei ein wahr gewordener Traum, schwärmte Max, der „praktisch jedes Wochenende im Bikepark“ verbringt.

Neben dem Table, über den Max seitwärts segelte, stand Vater Markus und grinste breit. Er ist Chef des Almtalbiker-Shops und somit liegt Mountainbiken bei den Hauers in der Familie. „Aber mittlerweile komme ich ihm nicht mehr nach“, gestand der stolze Papa. Und er erzählte, dass es auch Vorteile hat, wenn der Nachwuchs derart talentiert ist: „Ich habe versucht mitzuhalten und dadurch im Alter von 42 Jahren nun von Max noch den Suicide No Hander gelernt.“ Max Hauer wird, so viel sei verraten, mit einem seiner schönsten Whips auch in der nächsten Printausgabe des LINES Magazin zu bewundern sein.


Professionelle Nachwuchsarbeit

Für die Gastgeber des Events, Trailcenter-Geschäftsführer Horst Marterbauer und Patrick Huber, ist der Trailbrunch ein jährliches Highlight. Denn an der Hohen Wand Wiese hat man sich ganz der Nachwuchsförderung verschrieben. Jede Woche trainieren hier mittlerweile gut 100 Kids unter professioneller Anleitung ihre Skills am Bike. Viele Locals waren demnach beim Trailbrunch-Camp mit dabei. „Wir sind aber sehr stolz, dass heuer auch viele Youngsters aus anderen Bundesländern gekommen sind, um mitzumachen“, freuten sich Marterbauer und Huber. Für sie die schönste Bestätigung, dass ihre Arbeit beim Nachwuchs ankommt. Nur eins wollen die beiden unbedingt noch verbessern, wie sie sagen: „Der Anteil an Mädchen muss deutlich steigen.“ Denn während bei den wöchentlichen Trainings bereits gut ein Drittel Fahrerinnen sind, ist deren Anteil beim Trailbrunch noch ausbaufähig. Darum sollen künftig noch mehr weibliche Role Models wie Kathi Kuypers zum Einsatz kommen.

Erfolgserlebnisse am laufenden band – wie hier der Step Down auf den Kenda Line, die viele Kids im Rahmen des Camps erstmals wagten.

Die zwölfjährige Mia Salchenegger aus Wien war neben Ylvie heuer das einzige Mädchen beim Trailbrunch. Aber das hielt die junge Shredderin nicht davon ab, voll auf ihre Kosten zu kommen. „Es ist so cool, mit anderen Kids zu fahren und zu lernen“, erzählte sie begeistert. Ihr persönliches Lernziel waren der Drop sowie die Doubles auf der Kenda Line. Dank der Profitipps und dem Support der anderen Rider sei es ihr leichter gefallen, die eigene Angst zu überwinden und über sich hinauszuwachsen. Am Ende strahlte Mia bis über beide Ohren angesichts der eigenen Leistungssteigerung. Als nächstes will sie nun die Drop-Batterie in Angriff nehmen.


Frühstück am Trail

Der namensgebende Höhepunkt des Trailbrunches stand am Sonntag am Programm. Dazu wurde mitten im Wald, direkt zwischen den Sprüngen der Kenda Airline eine weiße Tafel eingedeckt und Oberkellner Fridolin servierte den Mountainbike-Stars stilecht einen Trailbrunch. Derart gestärkt zeigten die Profis im Zuge einer Show-Session, was sie draufhaben und Peter Kaiser sowie Clemens Kaudela sicherten sich bei den Herren die Best Overall und Best Style Wertung. Bei den Damen gewann Trailcenter Testimonial Patricia Simmandl.

Zum krönenden Abschluss zeigten noch einmal alle Trailbrunch-Teilnehmerinnen und Teilnehmer mitsamt dem Trainerstab, was sie an diesem Wochenende gelernt haben. Eine beeindruckende Leistungsschau mit vielen lachenden Gesichtern. Man darf gespannt sein, welche davon künftig auf Podien und Siegerfotos erstrahlen werden.

Stylen in Theorie und Praxis mit Clemens Kaudela.

Warum Nachwuchsarbeit, wie sie beim Trailbrunch und im Trailcenter Wien betrieben wird, so wichtig ist, zeigt das Beispiel von Lorenz Rothmüller. Der 15-Jährige hat vor knapp drei Jahren auf den Trails an der Hohen wand Wiese mit dem Mountainbiken begonnen. Beim Trailbrunch arbeitete er mit den Profis daran, seinen Nac Nac und die Whips zu verbessern. „Ich bin jeden Freitag hier zum Training“, erzählte er. Und bald wird er nun selbst mithelfen, den Nachwuchs auszubilden. Denn Lorenz hat bereits die Trainerausbildung in der Tasche und wartet auf seinen 16. Geburtstag, um loslegen zu können. Beim nächsten Trailbrunch will er dann schon als Local Guide mithelfen. Nachwuchsarbeit wie sie besser nicht sein könnte.

Man kann zusammenfassen: Ein gelungenes Wochenende für den Nachwuchs.
Über den Author

Steffen Kanduth

Wahltiroler mit Faible für alles, das ein Tretlager hat. Mangelnde Fahrtechnik wird durch kindliche Begeisterung fürs Radfahren ausgeglichen.

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