Wenn Mountainbiken zum Teamsport wird

Peter MihalkovitsGeil wars, Rennen

Enduro World Series Trophy of Nations Team Austria

Fotos: Peter Mihalkovits

Das Team Austria bei der Enduro World Series Trophy of Nations.


Werbung

LOOK Trail Fusion

Gleich mal vorweg: Ich bin ein großer Fan des Konzepts der Trohpy of Nations. Die drei besten Fahrer jedes Landes werden nominiert, um in einem Teamwettkampf gegeneinander anzutreten. Mir gefällt der Aspekt, dass aus einem Individualsport so ein Teamsport wird. Dass Zusammenarbeit und Taktik plötzlich zentraler Bestandteil guter Performance werden und dass Emotionen mit anderen Fahrern durchlebt und geteilt werden können. Meine Begeisterung für dieses Format mag vermutlich auch daher kommen, dass ich mit Mannschaftssportarten groß geworden bin. Meine Kindheit verbrachte ich mit Fußball und Eishockey, meine YouTube-Vorschläge sind voll mit Basketball Videos und „The last Dance“ auf Netflix kann ich mehr oder weniger auswendig. Mir gefällt es, wenn Spieler in einem Team zusammenarbeiten müssen. Ich mag das Gemeinschaftsgefühl, das dadurch entsteht und den Aspekt, dass Erfolge und Niederlagen mit anderen geteilt werden. Allesamt Dinge, die beim Mountainbiken grundsätzlich eher kürzer treten. Die Trophy of Nations kann das aber kompensieren.


Wie funktioniert Trophy of Nations

Drei Fahrer jedes Landes bilden ein Team. Die Auswahl dieser Fahrer basiert auf dem EWS Global Ranking (EWS Punkte und Qualifier Punkte) zu einem gewissen Stichtag. Sprich, die besten drei FahrerInnen jedes Landes, plus ein/e ErsatzfahrerIn werden nominiert, um bei der Trophy of Nations gegen andere Nationen anzutreten. Dabei werden die Einzelzeiten der FahrerInnen addiert und so ergibt sich eine Gesamtzeit für jedes Team. Das Team mit der niedrigsten Gesamtzeit gewinnt und ist World Champ. Simple as that. Das Besondere daran: Den Teams bleibt selbst überlassen, in welcher Reihenfolge und in welchem Abstand sie fahren. Einzige Vorgabe ist, dass das gesamte Team innerhalb einer Minute gestartet sein muss. Ob aber alle drei FahrerInnen im Train starten, oder ob jeder/jede für sich selbst fährt und Abstand lässt, ist den Teams selbst überlassen. Auch kann auf der Stage überholt werden, was taktische Überlegungen nochmal mehr befeuert. Für jede Nation wird, sofern es ausreichend FahrerInnen in der jeweiligen Kategorie gibt, von der EWS ein U21 Team, ein Elite Team und ein Masters Team (immer männlich und weiblich) nominiert.


Team Austria

Für Österreich waren zwei Elite Teams (männlich und weiblich) am Start. Beide Teams präsentierten sich jedoch nicht in der allerbesten Besetzung (lt. Global Ranking). Bei den Mädels waren, nach Absage von Vali Höll und Sarah Gamsjäger, Fiona Klien, Cornelia Holland und Hanna Steinthaler am Start. Bei den Jungs wurde Matthias Stonig von Lukas Stromberger vertreten. Gemeinsam mit Max Fejer und meiner Wenigkeit (Peter Mihalkovits) bildete er das Herren-Team. Den italienischen Buchmachern zufolge, beides nicht zwingend Teams, die man unbedingt auf der Rechnung haben müsste, doch der internen Stimmung tat dies keinen Abbruch.

Enduro World Series Trophy of Nations Team Austria

Trohpy of Nations is a Vibe

Für alle von uns war es das erste Mal bei einer Trophy of Nations und ich denke niemand wusste so wirklich, was er oder sie erwarten sollte. Ich kann euch sagen: Es war von Beginn weg ein Vibe. Wie so oft verwandelte sich die ligurische Küstenstadt Finale auch an diesem Wochenende in eine Bike-Metropole. Verglichen zu den anderen EWS, die ich bisher in Finale fuhr, war die Stimmung diesmal aber dann doch nochmal eine andere. Überall Flaggen, Nationalteam-Jerseys (egal ob Fußball, Eishockey oder was auch immer), und radsportverrückte Italiener. Generell glaube ich, dass der Standort essenziell für den Erfolg dieser Veranstaltung ist. In keinem anderen Land (und vermutlich auch an keinem anderen Ort) hätte man dermaßen viele Zuschauer auf und neben den Stages. Schon bei der Teampräsentation am Freitagabend war der Plaza mehr oder weniger komplett gefüllt. Ich denke für alle von uns war bereits das eine unglaubliche Erfahrung. Dieser gute Vibe erstreckte sich über Training, Ruhetag und Renntag. Für mich persönlich war es fast schwierig fokussiert zu bleiben und das Rennen wirklich „ernst“ zu nehmen. Einerseits, weil das Format so anders zu jedem anderen Race ist, und andererseits, weil in der Stadt eigentlich jeden Abend Vollbetrieb war :). ABER: Am Ende des Wochenendes wurde mir einmal mehr bewiesen, dass man in erster Linie Spaß haben muss, um gut Rennen zu fahren.


Das Rennen

Come Raceday und Team Austria begibt sich auf die knapp 70 km Runde mit ca. 1.900 hm bergauf und gut 2.400 Tiefenmetern bergab. Ein richtiges Old school Enduro-Rennen auf insgesamt 5 Stages mit tighten Transfer-Zeiten, langen Stages und viel Pedalieren. Die Sorgen um meinen mangelnden Fokus waren spätestens mit dem ersten „Piep“ unseres Startintervalles bei Stage 1 weg. Ich würde fast meinen, dass ich ab dann sogar angespannter war als bei so manch anderen Races, einfach weil man nicht nur für das eigene Ergebnis, sondern auch für das Ergebnis von zwei Freunden verantwortlich ist.


Die Taktik

Im Training probierten wir verschiedenste Konstellationen aus. Trains, viel Abstand, wenig Abstand, verschiedene Reihenfolgen, überholen, etc. Wir bekamen so ein gutes Gefühl, wer auf welchen Passagen schnell ist und die anderen somit „ziehen“ kann. Das Problem dabei war: Es ging immer nur um Passagen und nicht um ganze Stages. Soll heißen, wir mussten irgendwo Platz finden, um uns gegenseitig zu überholen. Auf den langen Stages (1 und 2) war das kein Problem, auf den anderen aber war es eher tricky. Demnach folgender Plan: Auf Stage 1 und 2 gibt es Überholmanöver, auf 3, 4 und 5 fahren wir einfach im Train durch. Der Erste im Train sollte immer der Schnellste sein und das Tempo vorgeben, während die anderen versuchen so lange es geht das Hinterrad zu halten.

Enduro World Series Trophy of Nations Team Austria

Wie lief’s?

Ich denke beide Teams (Burschen und Mädels) können mit der gezeigten Leistung definitiv zufrieden sein. Bei den Mädels reichte es für Platz 7 und wir konnten uns den 12. Rang sichern. Angesichts der Fülle an starken Nationen ein Top-Ergebnis für beide Teams. Wir Jungs scherzten das ganze Wochenende noch über eine Top 15-Platzierung und kamen meist bereits nach kurzem Überlegen auf weit über 15 Teams, die rein am Papier stärker waren als wir.

Das Racen selbst war dann nochmal eine ganz eigene Erfahrung. Im Train auf Anschlag zu fahren ist etwas, das man nicht alle Tage macht. Die eigenen Stärken und Schwächen werden einem so sehr deutlich aufgezeigt und man bekommt ein gutes Gefühl dafür, wo man bei einem „normalen“ Race viel Zeit liegen lässt.

Hier meine Top 3 Insights:

  1. Mainline with Confidence is the way to go. Tricky Lines kosten oft mehr als sie bringen. Einfach die Mainline railen ist oft am schnellsten.
  2. Was für den einen funktioniert, muss nicht zwingend für jeden funktionieren. Inside, outside, Foot out? Fahr so wie du dich intuitiv wohl fühlst und es ist vermutlich schnell.
  3. Treten is key. Kurve verbremst oder richtig schlecht gefahren? Kein Stress. Einfach einmal mehr treten als der Vordermann und schon bist du wieder am Hinterrad.

Anekdoten

Zwei Sachen möchte ich hier noch loswerden, die den Vibe bei der Trophy of Nations so richtig gut beschreiben. Ich erinnere mich an unseren Rennlauf auf Stage 2. Ich führte den Train oben (Rollercoaster) an und Max war hinter mir. Auf einem Tretstück nach den ersten paar Minuten begannen Max und ich uns darüber zu unterhalten, wie geil dieser Trail nicht ist und wie geisteskrank wir da und dort gefahren sind – haha – mitten im Rennlauf. Vermutlich auch eine Möglichkeit, um Sprints angenehmer zu gestalten.

Paar Minuten und ein risky Überholmanöver später sah ich dann, wie sich Max vor mir das Schaltwerk abriss. Wir waren zum Glück bereits weit unten und die verloren gegangene Zeit hielt sich dadurch in Grenzen, auch weil beinahe jedes Team zu irgendeinem Zeitpunkt einen Defekt hatte. Größeres Problem war, dass wir Max (und sein Bike) irgendwie hoch zum Start von Stage 3 bringen mussten – ohne Kette und Schaltwerk. Also: Kleine Laufeinheit für Max während Lukas und ich abwechselnd das Bike schoben. Stage 3 (kurze Downhill-Stage) chainless und dann ab zur Tech-Zone. Geschichten, die so sicher nur die Trophy of Nations schreibt.

Enduro World Series Trophy of Nations Team Austria
Über den Author

Peter Mihalkovits

Mulitalent am Bike. Einer der schnellsten Enduristen des Landes. Besaß lange keine anständige Radlhose, "Enduro Jeans"-Pionier.

Artikel teilen