Zu viel ist genau richtig

Philipp PerzMaterial

Fotos: Friedrich Simon Kugi

Mittlerweile finden dann doch auch immer wieder E-Bikes den Weg in die LINES Redaktion. Die anfängliche Skepsis (fast schon Abneigung) ist mittlerweile verflogen, denn E-Bikes eröffnen einem ganz andere Möglichkeiten und machen dann unterm Strich doch einfach auch sehr, sehr viel Spaß.
So schlug ein ziemliches Schmankerl, das Pivot Shuttle LT, bei uns in der Redaktion auf. Das Shuttle LT ist der elektrische Bruder vom EWS-erprobten Rennhobel Pivot Firebird – das klingt ja schon mal vielversprechend.


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Im Stand

Beim Auspacken kommt ein wenig Weihnachts-Feeling auf. Der elektrifizierte Feuervogel ist feinst-säuberlich in gefühlt hunderten Schichten Luftpolsterfolie, Abdeckband und Polstermaterial eingepackt und man kann Schicht für Schicht immer mehr und mehr Details erkennen – da ist echt alles vom Feinsten: überall nur Carbon, Kashima und XTR-Teile. Bist du …, da steht es nun und es ist echt verdammt schick. Man kann bereits erahnen, was das Shuttle LT für eine Rakete sein mag, wobei es trotzdem elegant und grazil wirkt.

Schaut schnell aus und ist es auch.
Mit dem Flip-Chip lässt ich die Geometrie den Vorlieben anpassen.
Top: im Rahmendreieck finden Wasserflasche + Tool-Halter Platz.

Gleich ins Auge sticht einem wohl der untypisch schräg verbaute Fox Dämpfer. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass Pivot den Schwerpunkt möglichst weit nach unten bringen wollte und dazu den Shimano-Motor leicht nach oben rotierte. Dadurch konnte der Akku noch eine Spur tiefer verbaut werden und das drückt somit auch den Schwerpunkt weiter nach unten, was sich dann auch beim Fahrgefühl niederschlagen wird. Pivot hat sich für den Shimano EP8-Motor mit 85Nm in Kombination mit einem eigens entwickelten 756Wh-Akku entschieden – das ist vermutlich mehr als eigentlich wirklich notwendig, aber zu viel ist bei Pivot wohl gerade genug. Der Akku ist auch easy (mit nur zwei Schrauben) entnehmbar, sollte man diesen extra laden wollen oder sich für einen zweiten Akku entscheiden – da sollte man dann aber einen ganzen Self-Shuttle-Tag im Kalender geblockt haben. Im Rahmen findet trotzdem immer noch eine große Wasserflasche Platz und einen Tool-Halter auf der Unterseite vom Oberrohr gibt es auch – da haben andere Hersteller wohl etwas Aufholbedarf. Das Shuttle LT rollt auf 29“-Alu-Laufrädern von Newman daher und ist mit Maxxis Assegai vorne und hinten behuft – ab Werk aber „nur“ mit EXO+ Karkasse.

Den Power-Button (mit USB-C Ladebuchse) gedrückt…
… und der Shimano EP8 schiebt, und schiebt und schiebt.
Der kleine Kopf wird wohl oft nach oben gedrückt, denn
dank des 756Wh Akkus sind auch unzählige Turbo-Runden drin.
Die robuste Skid-Platte beruhigt das Gewissen.

Vom Shuttle LT gibt es zwei Varianten: RIDE und TEAM. Uns erreichte die leichtere Team-Variante, mit Fox Factory Fahrwerk und wohin das Auge reicht Shimano XTR-Teilen. Rahmen, Motor, Batterie und Display sind bei beiden Varianten gleich – der Unterschied liegt rein in den Anbauteilen. Bei der Ride-Variante bekommt man ein leichter einstellbares Fox Performance Fahrwerk und immer noch XT bzw. SLX-Teile.

Die Qual der Wahl hat man bei den zwei gelungenen Farbgebungen: Beide Modelle sind in „bass boat blue tri-tone“ und einem „northern lights green“ erhältlich.

Entweder im schicken „bass boat blue tri-tone“ oder …
… im auch sehr hübschen „northern lights green“ erhältlich.

In Bewegung

Den schicken CNC-gefrästen Powerbutton gedrückt und ab geht die Post. Der 85Nm starke Shimano EP8-Motor werkelt halbwegs leise, aber kraftvoll vor sich hin und klebt extrem gut am Pedal, sodass man fast das natürliche Tretgefühl wie bei einem normalen Bike hat – nur halt mit deutlich mehr Schub. Drei Unterstützungsstufen stehen zur Auswahl: Eco, Trail und Boost. Nachdem der Akku Saft „Ende nie“ hat, kommt man leicht in Versuchung eine „Boost-Runde“ nach der anderen zu drehen. Wo es mit dem normalen Bike unfahrbar oder zumindest sauzach ist, wird es mit dem Shuttle LT erst richtig lustig. Da lassen sich bergauf plötzlich Lines versuchen und dann schlussendlich auch fahren, die man vorher für kaum möglich hielt. Steine, Baumstämme, sagenhaft steile und technische Uphills – alles kein Problem und irgendwie macht das süchtig. Die Skid-Platte steckt auch den einen oder anderen Patzer locker weg und man muss keine Sorge haben sich beim „Bergauf-Trialen“ sein heißgeliebtes Shuttle LT zu schrotten. Widersteht man dem nur einen Tastendruck-entfernten Boost-Modus, sind mit dem großen Akku auch richtig epische Runden oder einige weitere Extrarunden des Hometrails drin.

Bergauffahren wird zum Genuss …
… in dieser Stimmung erst recht.

Mit einem Grinsen dann oben angekommen, sticht man in den nächsten Trail hinein. Von Anfang an ist man gefühlt immer zu schnell unterwegs. Das Shuttle LT gibt einem ein unglaubliches Gefühl von Sicherheit, liegt sagenhaft satt und schreit dich konstant an: „Schneller! Weiter! Mehr!“ Wurzelteppiche und Steinfelder werden regelrecht weggebügelt, wobei man als Fahrer trotzdem noch genug Rückmeldung bekommt, was unter einem passiert und sich nie als Passagier fühlt. Das ist der durchwegs gelungenen Enduro-Geometrie mit der Fox 38er-Gabel mit 170mm und dem dw-Link-Hinterbau mit 160mm Federweg zu verdanken. Das Shuttle LT hat Firebird-Gene mit langem Reach und flachem Lenkwinkel, wobei es sich aber immer noch sehr verspielt, ausgeglichen und leicht anfühlt. Mit seinen nur 22,5kg ist es für ein Long-Travel Performance E-Bike tatsächlich sehr leicht und nennt auch luftige Höhen, wie auch knackige, verblockte Trails sein Revier.
Der limitierende Faktor ist hier sicher nicht das Bike, sondern der Fahrer. Man läuft konstant Gefahr, dass man in einem Mix aus Endorphin- und Adrenalinrausch alles was vor einem liegt mit Vollschub in Angriff nimmt. Dass man dann doch nicht gleich in der ersten Kurve gerade in die Botanik abbiegt, helfen einem die Shimano Vierkolben-Bremsen (SLX- oder XTR – je nach Ausstattung) mit 223mm-Scheiben vorne und 203mm-Scheiben hinten von Galfer.

Bergab ist das Shuttle LT eine Rakete und für jeden Spaß zu haben.

Wer sich glücklicher Besitzer eines Pivot Shuttle LT nennen will, der darf seine Sparschweine versammeln, um diese dann in einem groß angelegten Ritual zu opfern: € 11.999,- sind für die TEAM- und € 9.999,- für die RIDE-Variante zusammenzukratzen.


Wer will mich?

Das Pivot Shuttle LT ist ein unglaubliches E-Geschoss mit dem man wohl immer zu schnell unterwegs ist, wobei man nie das Gefühl hat Passagier zu sein. Wer ein „Schneller! Weiter! Mehr!“ unter sich spüren will, das sich auch bändigen lässt, dem sei das Pivot Shuttle LT ans Herz gelegt.


Pivot Shuttle LT MJ 2023

Preis€ 9.999,- bis € 11.999,-
Federweg170mm vorne & 160mm hinten
Laufräder29 Zoll
RahmenmaterialCarbon
Gewichtab 22,5 kg
Garantie10 Jahre (Rahmen)
Gleiche LigaTrek Rail, Orbea Wild, Santa Cruz Bullit, Specialized Turbo Levo
Über den Author

Philipp Perz

Ein Fuchs mit Excel, Lasercutter und am Bike. Mutiert bei anwesender Stoppuhr zur Renn-Perzette. schneefräsn-Süchtler. Hat gern alles richtig, außer seine Bremsen, die mag er verkehrt.

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