MTBausserfern

Ole KliemSzene

MTBausserfern Logo

Drei der insgesamt vier Tourismusverbände im Bezirk Reutte würden sich auf Grund ihrer Zielsetzungen wenig für’s Mountain- und schon gar nicht für das Trail-Biken einsetzen, wodurch keine Angebote für die lokale Bike-Community entstehen, erklärt mir Martin während unseres Vorgesprächs. „Wir nehmen die Zügel jetzt selbst in die Hand und schauen, dass wir etwas Eigenständiges auf die Beine stellen. Ein Perspektivwechsel sozusagen. Zuvor wurde immer nur geschaut, welche Angebote für Tourist*innen attraktiv wären und die Locals dürfen die Wege dann „mitbenutzen“. Jetzt konzentrieren wir uns darauf, Trails zu entwickeln, die in erster Linie den Ansprüchen der Locals entsprechen.“


Erst vor ein paar Wochen bin ich in der Insta-Story eines Freundes auf das neue Projekt mit dem Namen MTBausserfern aufmerksam geworden. Cool, dachte ich mir. Wenn sich schon nichts auf politischer Ebene ändert, um die Situation der Zweirad-Liebenden zu verbessern, dann ist es wenigstens erfreulich zu sehen, dass es viele Initiativen in den letzten Monaten geschafft haben, auf sich aufmerksam zu machen. Reutte, auch Außerfern genannt, ist ein kleiner Bezirk mit ca. 33.000 Einwohner*innen der im Nordwesten von Tirol liegt und an Füssen und Garmisch angrenzt. Keine Woche später sitze ich mit Martin Nigg, dem Kopf von MTBausserfern, am digitalen Interview-Tisch.


Hey Martin! Danke, dass du dir die Zeit genommen hast. Auch wenn ich die Antwort vermutlich schon kenne, aber wie seid ihr auf die Idee gekommen, euch zu einer Initiative zusammenzuschließen.

Wer zurzeit bei uns (legal) fahren möchte, muss eine halbstündige Autofahrt in die Zugspitz Arena in Kauf nehmen, wo es ein überschaubares Angebot an eher anspruchsvollen Trails gibt. Für alles andere muss man zum Biken den Bezirk verlassen.

MTBausserfern Martin Nigg
MTBausserfern Co-Initiator Martin Nigg.

Wer steckt hinter Initiative?

Dahinter stecken Florian Nagele, Christoph Valier, Laurenz Sprenger, Leon Kogler, Dominik Kuppelhuber, Tim Hornikel, Peter Steiner, Matthias Wachter und eben ich, Martin Nigg.

Ich bin selbstständiger ITler, während Flo Besitzer eines lokalen Bike-Shops und Christoph der Chef einer Konditorei ist. Hinzu kommen unsere jungen Locals Lauren, Leon, Domi und Tim sowie Peter und Matthias, die beim leider eingestampften Dirt-Park in den Lech-Auen mitgewirkt haben. Fabio Wibmer hat hier z.b. sein 700.000 Abonnent*innen Special mit einem Double-Backflip gedreht.

Wie seid ihr auf den Namen MTBausserfern gekommen, bzw. was bedeutet er?

Politisch gesehen heißt unser Bezirk Reutte, umgangssprachlich wird die Region allerdings auch Außerfern genannt. Woher das kommt, weiß ich gar nicht so genau. Wir Tiroler*innen nennen uns hier die Außerferner und haben den Namen der Initiative daraus abgeleitet.

Seid ihr bereits ein eingetragener Verein?

Nein, das sind wir noch nicht. Zu Beginn waren wir ein wenig davon eingeschüchtert, wie viel organisatorischer Aufwand auf uns zukommen könnte. Letztlich braucht es aber nur einen Obmann und einen Kassier. Abhängig von den nächsten Projekten wird die Vereinsgründung noch einmal zur Diskussion gestellt. Zurzeit ist es wirklich noch wie auf der Website beschrieben: ein loser Zusammenschluss lauter Biker*innen.

Wie kann ich mir das Biken in Reutte vorstellen?

Die Berge an sich sind steil und schroff. Die steinigen und verblockten Trails setzen eine gute Technik voraus.

MTBausserfern Martin Nigg Blindsee Trail
Der Blindsee Trail ist über die Grenzen der Zugspitz Arena bekannt.

Wie kam euer Projekt ins Rollen?

Grundsätzlich herrscht bei den Tagestourist*innen aber auch den Einheimischen zu viel Unwissenheit darüber, wo man fahren darf und wie man sich auf den Wegen verhält. Hinzu kommen zig GPS Tracks aus diversen Apps, die viele dazu verleiten, verbotene Wege zu fahren. Weißt man die Leute dann auf die großen Verbotstafeln hin, erntet man meist verwunderte Blicke.

Natürlich können auch wir uns nicht davon freimachen, teils illegal unterwegs zu sein, aber ich für meinen Teil versuche die Ausfahrten so zu legen, dass ich die Öffnungszeiten der Almen und die Stoßzeiten von Wanderer*innen berücksichtige. Und wenn ich dann trotzdem wem begegne, bremse ich ab, gebe ihnen zu verstehen, dass sie Vortritt haben und grüße höflich. Meist machen die Leute dann freundlich Platz und freuen sich sogar noch, wenn sie sehen können, was man mit dem Bike alles bewältigen kann.

Einen bestimmten Auslöser für unser Projekt gab es nicht, dafür aber die vielen kleinen Zwischenfälle. Um auf das Problem und die Dringlichkeit aufmerksam zu machen, hatten wir letztes Jahr für sechs Wochen einen mobilen Pumptrack in Reutte aufgebaut. Dieser kam so gut an, dass zum Abschluss-Event gut 350 Besucher*innen kamen, um sich die Action am Pumptrack und der Dirt-Show anzuschauen.

Was sind jetzt zu Beginn eure Ziele?

Wir sind gerade dabei, Daten von einheimischen Biker*innen und jenen zu sammeln, die mit dem Mountainbike in unsere Gegend kommen. Aus diesem Grund haben wir eine Umfrage gestartet (umfrage2022.mtbausserfern.at), um eine Bedarfsanalyse zu erstellen und um herauszufinden, wie unsere Biker*innen so ticken. Mit diesen Daten hätten wir dann eine gute Gesprächsgrundlage, um bei Verhandlungen mit Interessenvertretungen auf Fakten zu verweisen.

Habt ihr bereits erste Ergebnisse?

Es haben erst 140 Leute mitgemacht, die Umfrage ist also noch nicht sehr repräsentativ. Es zeichnet sich allerdings ab, dass der Großteil mit recht viel Federweg – á la Enduro – unterwegs ist. Wir wollen uns also dafür einsetzen, dass es zukünftig Singletrails gibt.

Laut der Umfrage haben wir bis jetzt auch erstaunlich viele Biker*innen, die davon berichten, dass sie Trails auf S4-5 Niveau fahren und ihre Räder bis ins alpine Gelände tragen würden. Ob das nun die Selbstüberschätzung bei Umfragen ist oder ich die Leute einfach nicht sehe, weil mir das dann doch zu heftig wäre, ist die Frage 😀

Und was haben die ersten Bemühungen erreichen können?

Der Pumptrack ist beschlossene Sache. Die Gemeinde Reutte hat unseren Einsatz und das private Engagement gewürdigt und einstimmig entschieden, das Projekt unter Einbezug der Umlandgemeinden anzugehen. Wir rechnen damit, dass die Planung im Frühjahr 2022 beginnt. Nachdem wir dann hoffentlich die LEADER Förderung bekommen haben, wollen wir im Frühjahr 2023 mit dem Bau beginnen.

MTBausserfern Martin Nigg Barbarasteig
Martin Nigg am Barbarasteig in Biberwier.

Eine andere Idee setzt sich mit dem Bikepak Hahnenkamm auseinander. Bereits im Herbst 2020 haben wir zusammen mit der TVB Naturparkregion Reutte, der Gemeinde Höfen und dem neuen Liftbesitzer erste Pläne entwickelt. Gemeinsam wurde eine Machbarkeitsstudie über vorerst zwei möglichen Lines durchgeführt. Im Zuge dessen haben wir mögliche Korridore für eine Nutzung bestimmt. Jetzt stehen noch die Gespräche mit den Grundbesitzern an und die Finanzierung muss ausgearbeitet werden. Man braucht eben einen langen Atem.

Eine Idee gibt es noch, welche den Reuttener Hausberg mit der Dürrenberger Alm betrifft. Hier gibt es bereits zahlreiche Wege und Abkürzungen, die sich mit der Zeit durch Wandernde ergeben haben. Vielleicht kann man daraus einen längeren Singletrail für Biker*innen basteln und so die Ströme der Waldnutzer*innen besser kanalisieren.

Es handelt sich dabei um Gemeindegrund und der Tiroler Landschaftsdienst hat uns bereits zu verstehen gegeben, dass sie uns unterstützen. Dabei geht es um Förderungen für Baugeräte und Baumaterial, wenn wir es als Verein schaffen, genügend Helfer*innen zu mobilisieren, alles zu planen, einzureichen und gemeinsam anzupacken. Schau ma…

MTBausserfern Martin Nigg Blindsee Trail
Martin nimmt am liebsten legale Strecken in Angriff – wie hier den Blindsee Trail.

Welche Art von Hilfe erwartet ihr euch?

Da ich und meine Mitstreiter, zumindest die Älteren, selbstständig sind und wir dadurch viele Leute kennen, haben wir ganz gute Kontakte zu den Leuten, die wichtige Entscheidungen treffen. Aber auch andere Initiativen oder Trailbauer haben uns bereits ihre Hilfe angeboten haben. Was wir allerdings noch brauchen, ist eine Einschätzung über die Größe der Community und mit wie viel Hilfe wir tatsächlich rechnen können, wenn es darum geht, einen Spatenstich zu setzen, deswegen die Online-Umfrage.

Vielen Dank Martin für das Interview und ich hoffe, dass ihr etwas erreichen könnt. Ich würde mich zumindest auf ein zweites Gespräch freuen.

Über den Author

Ole Kliem

Wenn ich nicht gerade im Dreck liege, um Biker*innen zu fotografieren oder ihre Storys zu Papier zu bringen, schiebe ich meine fehlende Fahrtechnik gerne aufs Radl.

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