Der achte Mountainbike Kongress Österreich fand von 1. bis 3. Oktober 2024 in Saalbach statt. Es war ein spannender und der letzte bis 2026.
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Update 8.10.2024
Mountainbike Kongress Österreich. Da trifft sich alles was Rang und Namen hat im Tourismusverbandsgebäude in Saalbach, um den aktuellen Status quo und die Zukunft des Mountainbikens hierzulande zu diskutieren. Es geht dabei auch immer um die Frage: Welche Themen tischt Organisator Hari Maier diesmal auf? Hier ein kurzer Rückblick zum Mountainbike Kongress Österreich 2024.
Tag 1
Es erfolgt ein Kavalierstart. Disruption ist das Thema und Hari macht mit Visionen (seiner Meinung nach sind’s eher Zukunftsszenarien) rund um Technologien, vor allem KI, die knapp 100 Teilnehmer*innen schwindelig. Von Sensoren, die einem sagen, wann ich den meisten Spaß am Trail hatte, bis zur smarten Verknüpfung dieser Daten um das perfekte Reiseziel für mich und meine Mitreisenden zum Wochenende X vorgeschlagen zu bekommen. Egal wieviel man dem etwas abgewinnen kann oder nicht, Hari’s Appell ist solide: Mountainbiken muss sich mit neuen Technologien auseinandersetzen um nicht auf der Strecke zu bleiben. In Kärnten, so hört man, hat man bereits Versuche gestartet um der KI einen Trail planen lassen. Die Diskussion dreht sich dann allerdings um etwas bodenständigere, jetzt verfügbare Dinge, wie zum Beispiel Sprenkleranlagen für immerstaubige Trails, einen Lift für Biker, der bei schlechter Schneelage auch im Winter eingeschalten werden kann und die Forderung, Radwege spielerisch zu gestalten, um Kindern das urbane Radfahren (noch) schmackhafter zu machen. Vieles davon stammt übrigens aus dem stets sprudelden Kopf von Karl Morgenbesser aka Mr. Wexl Trails.
Wie eine Verbindung der Alltagswege über Trails ausschauen kann, darüber erzählte Janine Wiltz von Bikeplan, die im Wallis in der Schweiz Zuhause, Schule, Sportstätte und Einkaufsmöglichkeiten per Trails verbanden. Peter Kapelari stellte anschließend mit R.A.G.N.A.R. ein Tool vor, mit dem man diese Trails (sowie jede andere Art von Wegen) einer objektiven Risikoeinschätzung unterziehen kann. Die vielleicht wichtigste Grundlage für den Erfolg oder Misserfolg eines Trails, nämlich Nutzerdaten, wird vermutlich bald Sebastian Hochgatterer (einigne bekannt von MTB Linz) mit seinem Trailpulse-Zähler liefern. Dass sich bald auch am Arlberg trailtechnisch etwas tut, das verdanken wir Christian Wolf und Vinzenz Wingelmayr. Dank ihrem Vortrag wissen wir nun auch, dass sich der Bike Club Arlberg dank eines wohlüberlegten Partizipationsprozesses mit überragender (nämlich 96%iger) Zustimmung bei einem Bike- & Tourismustag gegründet hat.
Der Nachmittag stand im Zeichen der Mountainbike-Strategie Österreich. Ideengeber Hari stellte seine Vision vor. Darauf folgte eine hochkarätige Runde – Dieter Brosz (Sportministerium), Johannes Prem (Landwirtschaftsministerium), Markus Pekoll (MTB-Koordinator Steiermark) und Hari Maier – die den aktuellen Stand der im Frühjahr vorgestellten Mountainbike-Strategie darlegten. Konklusio: Es läuft im Hintergrund sehr vieles. Besonders auf Seiten der Ministerien rinnt viel Zeit in den doch sehr bürokratichen Prozess. In KW 3/4 soll die Stelle der Mountainbike-Koordination Österreich aber über die Bundesbeschaffungsagentur ausgeschrieben werden. Zu diesem Schritt hat man sich entschlossen, um der Stelle die größtmögliche Neutralität zu gewähren. Sie wird vrsl. für 4 Jahre ausgeschrieben. Bewerben kann sich dann jeder, der die geforderten Anforderungen erfüllt.
Abends erfolgte ein Slow-Dating Dinner zum Netzwerken inklusive Tombola für den guten Zweck: die Erlöse wandern in den Intersport Infrastrukturfonds.
Tag 2
Der Mittwoch begann ohne technologischer Überforderung, dafür mit viel Input hinsichtlich Nachwuchsförderung. Zuerst skizzierte Lisa Mitterbauer aus Sicht von Cycling Austria den Weg von der Schule an die Spitze. Später brach Gerhard Angerer von der Bildungsdirektion Niederösterreich eine Lanze für das Mountainbiken in der Schule, da es eine Sportart sei, die viele Fähigkeiten lehre, Kinder die Natur erleben lässt, sowie den Selbstwert und die Gesundheit fördere. Die Ängste der Lehrer*innen vor einem Mountainbike-Ausflug nimmt er ernst, sagt aber: ehrliches Risiko darf sein. Um den Zweifeln entgegenzuwirken, veranstalten die Wexl Trails beispielsweise Mountainbike-Schnuppertage für Lehrer*innen.
Die Runde aus Lisa Mitterbauer (Cycling Austria), Lisa Ribarich (Anninger Trails), Monika Fiedler-Proksch (sportingWOMEN), Linda Klocker (Giant/Liv Austria) und Nina Kraxner (shredtime.stories) diskutierte, was es braucht um mehr Mädls und Frauen für den Mountainbike-Sport zu begeistern. Monika, die schon tausende Frauen in unterschiedlichsten Sportarten in ihren Camps hatte, meint, dass Frauen die größten Bedenkenträger sind, also im Vorfeld große Selbstzweifel hegen. Womens-only-Camps senken die Hemmschwelle für den Einstieg in den Sport. Auch noch wichtig: Symbolische Dinge (z.B. gleich viele Frauen wie Männer in Führungspositionen, die Bundeshymne in der aktuellen Variante) sind sehr wichtig, um Gleichstellung Normalität werden zu lassen.
Den verregneten Nachmittag begangen nur die wenigsten mit der geplanten Bike-Ausfahrt auf die Huberalm, dafür fanden sich umso mehr Leute zum Future Search Workshop mit dem Thema „Disruptive Pfade: Praktische Lösungen und Innovationen für die Zukunft des Mountainbikens“ ein. Obligatorischer Tagesausklang: Grill & Chill am Spielberghaus.
Tag 3
Recht und Haftung. Das klingt jetzt nicht gerade nach einem Thema, das einen vom Hocker reisst. War es dann aber. Das war vor allem der, Juristen recht untypischen, Kurzweiligkeit der Ausführungen von Pius Schneider (Rechtsanwalt) und Armin Kaltenegger (Leiter Rechte & Normen Kuratorium für Verkehrssicherheit sowie Ex-LINES-Kolumnist) geschuldet. Beide unterstrichen, dass die Haftungsfrage sehr aufgebauscht wurde und wird. Pius Schneider, selbst Biker, sieht das Risiko auf einer Skipiste zu Weihnachten als viel größer an als auf einer Downhill-Strecke im Bikepark. Seine Empfehlungen: 1) Verträge mit Juristen zu machen. 2) Als Wegehalter eine ordentliche Versicherung abzuschließen, nämlich eine mit ordentlicher Versicherungssumme und eine die wirklich im Fall des Falles deckt. Armin Kaltenegger übte sich anschließend in der Rolle des rechtlichen Mythbusters und zerlegte ein Haftungsschreckgespenst nach dem anderen. Man sollte Armin engagieren, damit er diesen Vortrag jeden Tag in einem anderen Dorf in Österreich halten kann, dann wäre die (Mountainbike-)Welt eine einfachere. Wir arbeiten an einer Form, wie wir die Essenz davon online stellen können. Seine Konklusio: Grundsätzlich sind Mountainbiker*innen selbst schuld. Die wenigen Fälle, in denen jemand anderer zur Haftung gezogen wird, sind absolute Ausreisserfälle, bei denen viele Umstände zusammenkommen mussten, damit es zu einer Haftung kommt. Passend dazu eine Zahl vom Versicherer, der die Mountainbike-Strecken im Land Salzburg versichert: In den letzten 30 Jahren gab’s 3 Fälle, die vor Gericht gelandet sind. In zwei davon war der/die Mountainbiker*in schuld, in einem einigte man sich auf einen Vergleich.
Die anschließende Paneldiskussion gestaltetete sich zunehmende emotional. Das war wohl vor allem den am Podium sitzenden Personen geschuldet: Johannes Prehm, Pius Schneider, Armin Kaltenegger, Katharina Lenze (Rechtsbeauftragte der Land & Forstbetriebe Österreich) und Patrick Majcen (Referatsleiter Rechts- und Umweltpolitik der Landwirtschaftskammer Österreich). Katharina Lenze erklärt die Angst vor Haftungsfragen und die Behinderung bei Forstarbeiten als die größten Sorgen ihrer Mitglieder. Pius Schneider und Armin Kaltenegger meinen, dass das aktuelle Vertragsmodell ein gutes ist. Die generelle Öffnung der Forststraßen wird kurz diskutiert, wo sich erste Emotionen regen, von Hari aber mit der Forderung nach einer Freizeitraumplanung beendet. Karl von den Wexl Trails wirft eine 5%ige Öffnungsquote für jede Region in den Raum, damit ein flächendeckendes Angebot entsteht. Das geht schon in Richtung des Velowege-Gesetzes, das kürzlich in der Schweiz beschlossen wurde. Warum Mountainbiker*innen anders behandelt werden, warum z.B. Skitourengeher, das beantwortet Pius Schneider mit der Vermutung, dass an uns allen das Stigma der Verrückten haftet. Was uns zum Thema Kommunikation bringt, das dann wirklich Emotionen auslöst. Andi Holzer, vielgeprüfter Mann bei lake.bike was Grundeigentümer-Verhandlungen angeht, erklärt das Vertragsmodell für grundsätzlich gut, aber nur, wenn alle zusammen glaubwürdig, nämlich einheitlich kommunizieren. Er wirft den Interessensvertretungen wie der Landwirtschaftskammer vor, dass sie bei den Grundeigentümern Zweifel säen, wo rechtlich eigentlich alles klar ist, was darin resultiert, dass sich vielleicht eines von 10 Grundeigentümergesprächen im Endeffekt Früchte trägt. In die gleiche Kerbe schlagen auch Armin Kaltenegger und der im Publikum sitzenden Rechtsanwalt (und Mountainbiker) Gerald Heigl: Laut ihnen fehle in der Kommunikation der Grundeigentümervertreter oft der letzte Halbsatz, der die ganze Wahrheit erläutert. Hari’s Fazit: Es geht nur mit a) Kommunikation und b) gemeinsam. Zur Frage, was die Runde von einer Kennzeichenpflicht für Radfahrer*innen hält, äußert sich Katharina Lenze angetan, woraufhin Armin Kaltenegger mit „dem größten Blödsinn“ in zwei Minunten aufräumt: „Hier ist die Suppe definitiv teurer als das Fleisch.“
Nach dieser Runde wird’s etwas ruhiger, aber nicht weniger spannend. Sebastian Hochgatterer stellt ds Finanzierungsmodell von MTB Linz vor, den Trailomat. Der brachte zumindest für den Verein finanzielle Erleichterung, während allein Sebi für das Projekt Roadlberg 798 freiwillige Stunden investierte.
Im Anschluss diskutierte Lisa Ribarich mit Pius Schneider rechtliche Fragen, die auf Mountainbike-Vereine zukommen können, unter anderem „Haften wir für unsere Trails während der Wintersperre?“ Die ernüchternde Antwort vom Rechtsexperten: Es kommt drauf an. Jeden Fall muss man sich im Detail anschauen.
Nachmittags dann die Ankündigung von Hari, dass es 2025 keinen Mountainbike Kongress Österreich geben wird. Er will sich auf strategische Themen mit seinem abmi (Austrian Mountainbike Insititute) konzentrieren. Was es 2025 aber geben wird, ist die Einreichung zum Black Sheep Award – in zwei Kategorien. Erstens in der Branche Infrastruktur (powered by ambi), zweitens in der Schiene Community (powered by LINES). Bei letzterem wird der MVP der Vereinsarbeit gesucht. Beides wird dann am Mountainbike Kongress im Frühjahr 2026 verliehen.
Der Kongress schloss mit einem Status-Update zur Mountainbike-Interessensvertretung aka IMBA Österreich. Bestehende Initiativen wie MTB Innsbruck, MTB Salzburg, Wienerwald Trails & Co wurden bereits vernetzt und eine Wissensdatenbank gestartet. Möglichst bald soll eine Organisation gegründet werden, die dann die Interessen der Mountainbiker*innen in Österreich bundesweit vertritt.
Bonus-Tag
Und genau daran arbeitete am Donnerstag Nachmittag/Abend und den gesamten Freitag eine Gruppe sehr engagierte Biker*innen: an der Gründung der IMBA Österreich. Es war ein recht intensives Arbeitstreffen, wo Grundlegendes ausdiskutiert wurde, wie zum Beispiel die konkreten Ziele und Aufgaben einer Interessensvertretung (um was kümmert sich die IMBA Österreich?), das Why-How-What, wie schaut die Organistionsstruktur aus, welche Ressourcen besitzt man und wie kann man eine derartige Organisation finanzieren. Der daraus entstandende Fahrplan sieht vor, dass die IMBA Österreich noch heuer als Verein gegründet werden soll. Wer sich für das Kernthema („Einfach fair Biken“) engagieren will, der ist hiermit herzlich dazu eingeladen und darf sich unter linestribe@lines-mag.at melden.
Vorbericht
Jahr für Jahr treffen sich in Saalbach beim Mountainbike Kongress Österreich die Menschen, die hierzulande das Thema Bike vorantreiben wollen. Mit Speakern aus ganz Europa holt man sich Input für neue Ideen und erfährt, was sich sonst so in der Alpenrepublick tut. 2024 trifft man sich auf Geheiß von Organisator Hari Maier zum bereits achten Mal.
Der Dienstag, 1. Oktober, steht im Zeichen von Disruption und Strategie. Die Auswirkungen von Disruption auf die Bike-Welt werden da beleuchtet und am Nachmittag besonders die Entwicklung der im Frühjahr angekündigten nationalen Mountainbike-Strategie.
Für Mittwoch sind die Themen Jugend und Gleichstellung ausgerufen. Hier wird’s eine Damen-Diskussionsrunde am Podium geben, sowie Input von Bildungs- und Sporteinrichtungen.
Donnerstag stehen Recht und Community am Programm. Vormittags widmet man sich der Juristerei und betrachtet die MTB Vertragslandschaft und versucht das Thema Haftung zu Entmystifizieren. Nachmittags geht’s ganz um Vereine, mit dem Abschluss: Staffelübergabe an die IMBA Österreich.
Apropos IMBA Österreich. Die befindet sich gerade im Entstehen. Deshalb hängen die Personen, die sich für eine österreichweite Community-Vertretung einsetzen, den Freitag noch dran und treffen sich ab 12 Uhr am Spielberghaus in Saalbach, um die Interessensvertretung für Mountainbiker*innen hierzulande auf die Beine zu stellen. Wer dabei mithelfen möchte (egal ob man in Saalbach dabei sein kann oder nicht) darf sich sehr gerne unter linestribe@lines-mag.at melden.
Wir werden unsere Erkenntnisgewinne vom Mountainbike Kongress Österreich live auf Instagram kund tun und nach dem Kongress eine Zusammenfassung genau an dieser Stelle veröffentlichen.
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