Thomas Pechhacker erzählt …

Christoph Berger-SchauerRennen

Fotos: Javie Martínez de la Puente / Zubiko Photography

Thomas Pechhacker erzählt vom letzten Trial-Weltcup 2024 in Mouilleron-le-Captif. Wir lauschen gespannt.


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Der letzte Trial-Weltcup dieser langen Saison stand vor der Tür. Die Reise ging in die französiche Vendée, genauer gesagt nach Mouilleron-le-Captif. So unaussprechlich der Ort war, so anstrengend war auch die lange Anreise mit dem Nationalteam durch Schneegestöber und Staus.


Samstagmorgen – Section Inspection

Die Sektionen, der Parcours, sind ein ausschlaggebender Faktor bei uns im Trial-Sport. Umso wichtiger ist ein fähiger Sektionsstecker, ähnlich dem Kurssetzer beim Skifahren. Dem einen liegen eher die technischen Passagen, dem anderen wiederum die dicken Sprünge. Andere haben’s eher „leichter“ dafür länger und ausdauernder lieber. Sprich, es ist schwierig, für jeden die perfekten Sektionen zu stecken.

Gerade bei neuen Austragungsorten, wie es hier der Fall war, brodelt es im Vorhinein immer stark in der Gerüchteküche. Von wilden Behauptungen über den Stil der Sektionen bis hin zu scheinbar geleakten Fotos und Informationen über die Obstacles geht vieles in der Trial-Szene herum.

Mit umso mehr Spannung wurde daher die „Section Inspection“ (Track Walk in MTB-Sprache) erwartet. Nach dem ersten Abschnitt dachte ich mir: „Naja, da wird dann hoffentlich noch was Anspruchsvolleres kommen.“ Bei der vierten Sektion (von fünf) realisierte ich dann aber, dass man hier eher einen „Speed-Trial“ Wettkampf veranstaltet, als einen gewohnten Weltcup mit richtig schwierigen Lines, die meistens nur von einer Hand voll Fahrern bezwungen werden können.

Ich würde dennoch nicht sagen, dass die Sektionen „zu leicht“ waren. Sie waren ja ewig lang. Daher musste man Non-Stop pushen, um überhaupt das Ziel zu sehen.

„Easy“ aber nicht leicht

Je leichter der Parcours, umso geringer sind die Chancen Fehler wieder gut zu machen.

Daher macht man sich vor „easy“ Sektionen gefühlt mehr in die Hose als vor denen, wo man vorher selbst nicht weiß wie man da durchkommen soll.

Da baut sich schnell mal eine riesige Nervosität bei allen Startern auf. Meine Erfahrungen haben aber immer wieder gezeigt: Es gibt immer einen, der mehr verkackt. Mit einer erzwungen Gelassenheit ging ich also in die Semis.


Semi-Finale: „Nur nichts Dummes machen“

Erste Sektion: 60 Punkte, also perfekter Score.
Zweite Sektion: Detto.
Dritte Sektion: Der Bohrdurchmesser für die Verankerung der Tore ist entscheidend!

Ich, mittig im Parcours, total im Flow, war es ein Pfeil eines Tores auch. Mit meinem Vorderrad streifte ich ein Tor nur ganz leicht und schon fiel es heraus. Das Reglement ist da leider streng. Sobald etwas an den Markierungen kaputt geht, bekommt man einen „Fünfer“. Man muss also die Sektion verlassen und hat keine Chance mehr auf den weiteren Obstacles Punkte zu sammeln.

Welcher Handwerks-Legastheniker hatt’n das bitte gemacht.“

war mein erster Gedanke, zensiert ausgedrückt.
Bild Thomas on Top, der Pfeil irgendwo am Boden.

Sollte nicht passieren, tat es an dem Wochenende aber leider des Öfteren und mehrere Fahrer hatten Probleme mit den „Flying Gates“. Ich sah meine Chance auf einen Platz im Finale der Top 6 mit dem Tor bildlich davonfliegen.

„Hoch g’winn ma’s nimmer.“

Mit typisch österreichischer Positivität versuchte ich mich trotzdem weiter auf mein Rennen zu fokussieren. Das gelang mir auch, bis auf zwei Kleinigkeiten, wo ich eine Sekunde zu spät über die Ziellinie kam und die Punkte eines Sektors verlor, aber „eh scho wuascht“.

Ich beendete das Halbfinale und meine Scores kamen rein. Die Ergebnisse denkbar knapp, die Anspannung dementsprechend hoch. Zwischenzeitlich liege ich auf dem vierten Platz, jedoch sind noch vier Fahrer, die noch realistische Chancen haben und die erste Runde mehr Punkte hatten als ich, noch nicht fertig. Mit den Worten „Das geht sich nicht mehr aus.“ verließ ich das Race-Office.

Bild Das Warten auf die endgültigen Halbfinal-Ergebnisse.

Rang 6 bis 8 waren schlussendlich punktegleich. Zu meinem Erstaunen hatte ich aber die meisten „60er“, also die meisten perfekten Scores in den Sektionen. Ich konnte mich vor dem amtierenden Europameister, Eloi Palau aus Spanien und Luis Grillon aus Frankreich, durchsetzen. Knapper geht’s fast nimmer. Aber wie schon in der Schule: Durch ist durch!


Das Finale

Der Fokus stand nun auf der Vorbereitung für das Finale am nächsten Tag. Karol, mein Trainer, spielt dabei immer eine wichtige Rolle. Er ist der Mann, der die Pläne macht. Unüblicherweise war ich vom Halbfinale schon etwas müde, was die Entscheidung auf eine kurze, aktivierende Trainingssession am Vormittag des Finaltages fallen ließ.

Bild Thomas mit seinem Trainer Karol Serwin.

Von Null auf Hundert

Die Finalsektionen präsentierten sich dann schon in einem anderen Licht, als die vermeintlich zu einfachen der Vorrunde. Gleich in den ersten Passagen ging es richtig zur Sache. Eine gute Taktik war angesagt. Bei Schlüsselstellen hat man die Qual der Wahl. Entweder man geht All-In, versucht den Sprung zu schaffen und die Punkte des Sektors zu bekommen oder man geht auf Nummer sicher, setzt einen Fuß hin und zieht das Bike durch das Tor. Man bekommt dafür zwar keine Punkte, hat dann aber zumindest die Möglichkeit für die weiteren Hindernisse Punkte zu sammeln. Immerhin besser als zu stürzen und gar keine Punkte zu bekommen.

Das dritte Hindernis in der ersten Sektion im Finale war so eine Schlüsselstelle und ich war mir bis vor meinem Run nicht ganz sicher, ob ich es versuchen sollte oder nicht. Ich wusste, dass es nicht das Klügste wäre, hier voll zu riskieren. Mein Ego wollte das aber noch nicht ganz wahrhaben. Kurz bevor ich dann in die Sektion startete, meinte mein Trainer: „Follow the plan on gate 3“. Da wurde mir dann bewusst, dass es doch besser wäre, mein Ego zurückzustecken.

Wer mich kennt, weiß dass ich im taktischen Fuß setzen nicht viel Erfahrung habe, denn ich hasse das zu tun. Das zeigte sich auch hier wieder. Mit einer unübersehbaren Unsicherheit und der Wackeligkeit eines neugeborenen Rehs schleppte ich mich durch den Sektor. Die längsten 30 Sekunden meines Lebens!

Die nächste Aufgabe war, zugegebenermaßen, auch keine leichte, jedoch nicht so riskant. Ein freischwebender Baumstamm auf 155cm Höhe. Irgendwie muss man da doch auch noch drüber kommen. Der Plan ging auf. Mit 30 Punkten ging ich ex aequo mit Platz 2 und 3 in die nächste Sektion.

Diese galt als die leichtere von den fünf Finalsektionen, was bedeutete, dass man hier die volle Punktezahl von 60 Punkten scoren musste um im Game zu bleiben. Nur einen „Pedal Up“ musste ich zweimal anfahren bevor ich ihn schaffte. Das raubte mir die Zeit um den letzten Sektor zu beenden. Drei Sekunden hätte ich noch gebraucht. Sehr bitter.

Die dritte Sektion verlief ähnlich. Alles nach Plan, bis auf einen technischen Gap. Mit einem, ehrlicherweise wirklich unbeholfen aussehenden Save, konnte ich Punkteabzug vermeiden. Die nötige Zeit für die letzten Hindernisse fehlte mir dann auch hier zum Schluss.

In den letzten Sekunden rettete ich mich in der vorletzten Sektion durch den fünften Sektor und erhielt 50 Punkte. Dies brachte mich in eine gute Ausgangssituation für ein Podium, auch wenn ich das zu diesem Zeitpunkt nicht wusste. Ich versuche nämlich die Zwischenergebnisse immer auszublenden, um mich voll und ganz auf meine Leistung konzentrieren zu können.

Bild Die meditative Suche nach dem Flow.

Mit einer perfekten Fahrt in dieser Sektion konnte sich der amtierende Weltmeister, Alejandro Montalvo, mit 10 Punkte Vorsprung im Ranking vor mir platzieren. Ich war zwischenzeitlich also wieder Vierter.

Voll in meinem Element startete ich die finale Sektion und kam perfekt durch. Meine Hinterbremse hatte jedoch andere Pläne und rutschte beim Preload vor einem Betonrohr durch. Die Landung war eher unsanft, ich konnte aber verhindern in der Betonkante „einzuschädeln“. Bis auf ein paar Kratzer auf meinen Beinen und in meiner Seele passierte aber zum Glück nicht viel.

Die Startreihenfolge im Finale ist immer umgekehrt dem Ergebnis im Halbfinale. Ich, als Sechster, startete dadurch immer als Erster in die Sektionen. Für mich hieß es also, nach meinem Sturz erstmal abwarten und zuzuschauen, was die anderen machten. Die nächsten zwei Fahrer, Marti Riera aus Spanien und Diego Crescenzi aus Italien, blieben hinter mir. Montalvo patzte beim ersten Hindernis und blieb auch hinter mir. Ein bisschen hat es dann gebraucht, bis mein Trainer und ich dann bemerkten, dass ich ein Podium fix in der Tasche hatte. Ehrlich gesagt hatte ich nicht mehr mit dem dritten Platz gerechnet.

Am Stockerl mit Robin Berchiatti aus Frankreich und Borja Conejos aus Spanien.

Back on the Podium

Mit diesem Ergebnis durchbrach ich eine lange Serie an undankbaren 4ten und 5ten Plätzen im Weltcup. Ich war konstant in den Top 5, das letzte Etwas hat dann aber doch immer gefehlt.

Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis und meiner Leistung. Die Formkurve passt, denn der Fokus liegt auf der WM Mitte Dezember in Abu Dhabi und ich will wieder ganz oben stehen!

In diesem Sinne

Cheers!
Thomas

PS: Zum Schluss möchte ich noch meine Deutschlehrerin grüßen. Ja, Erlebniserzählungen und Grammatik waren noch nie mein Ding.

Über den Author

Christoph Berger-Schauer

Dicke Schlappen, schmale Reifen, bergauf, bergab – ist für alles zu begeistern, nur flach darf es nicht sein. Unbekehrbarer Fahrrad-Afficionado, seit einiger Zeit vom Enduro-Virus befallen. Schreibt nieder, was andere nicht in Worte fassen können.

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