Fotos: Pivot Cycles
Level up bei der Trailmaschine des US-Herstellers, im Doppelback. Verfeinert, verbessert, und nun endlich auch mit coolem Namen. Wir sind das neue Pivot Trailcat gefahren.
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LINES: Hey, willst du für uns das neue Trailbike von Pivot testen?
Gerald: Prinzipiell gern, aber ganz ehrlich, ich weiß nicht, ob ich der Richtige dafür bin.
L: Weil du Pivot Athlet bist?
G: Genau. Außerdem liebe ich das Trail429 abgöttisch. Ich bin da in beiderlei Hinsicht recht befangen.
L: Perfekt, dann kennst du das Bike ja am besten, go for it!
G: Say no more!
Und es stimmt, wenige sind mit dem Trail429 so verbunden, wie ich. Expeditionen im Balkan und in Kirgistan, Enduro-Rennen, Hike & Bikes. Meine Historie ist lange und für mich ist es eines der komplettesten Bikes der Welt. Und jetzt sagen sie mir, dass alles neu ist. Die Gedanken rotieren. Warum auf einmal zwei Versionen? Hat es noch seinen Charakter? Wieso so nahe am Switchblade? Ich will Zahlen, Fakten, Daten wissen, doch Pivot rückt nichts heraus. Das alles würde erst nach den zwei Fahrtagen preisgegeben werden. Warum? Aus dem einfachen Grund, dass wir nicht zahlenbasiert, sondern gefühlsorientiert Radfahren (sollen). True that. Danach war mir viel klarer, um was für Bikes es sich handelt und schlafen konnte ich auch wieder ruhiger.
Aus „Trail429“ wird „Trailcat“
Die offensichtlichste Neuerung ist der Name. Denn die etwas in die Jahre gekommene Bezeichnung „Trail429“ wird endlich durch den klingenden Namen „Trailcat“ ersetzt. Das ist einerseits lässig, weil es sehr nahe an seiner 27,5“-Verwandten „Shadowcat“ liegt, andererseits weil der Name Programm ist. Die Geometrie wurde modernisiert, Sitzwinkel ein bisschen steiler, Lenkwinkel ein bisschen flacher. Aber nur 7 mm weniger Federweg als das Switchblade, wie macht das denn Sinn?
Was bedeutet „Trailbike“ bei Pivot?
Kurz zur Einordnung. Die beiden Extrema der nicht-motorisierten Trailpalette sind das Mach 4 SL und das Firebird. Beides sind pure Renngeräte, das eine kann Cross Country World Cups gewinnen, das andere die Enduro World Series [Anm. d. Redaktion: EDR heißt das jetzt, Geri ;)]. Das Switchblade wurde mit dem letzten Update noch Enduro-lastiger, ist selbst Besuchen im Bikepark nicht abgeneigt und liegt trotz seiner Leichtfüßigkeit satt am Boden. Die Trailkatze liegt zwischen Mach 4 SL und Switchblade und ist in beiden Versionen ein Bike, das seinem Name alle Ehre macht. Verspielt, agil, wendig, XC-Gene bergauf, Enduro-Gene bergab. Es ist kein Cross Country-Bike, tritt sich aber ultra effizient bergauf. Es ist kein Enduro-Bike, macht bergab aber höllisch Spaß. Es vermittelt Sicherheit und Ruhe, solange man kein Rennen gewinnen will. Das Trailcat ist ein Bike, das unter dir den Berg raufschnurrt und bergab vor Freude rawwrt und miaut.
Super Light (SL) vs. Long Travel (LT)
Beide Versionen teilen sich denselben Rahmen, welcher inklusive Dämpfer nur 2,43 kg wiegt! Das SL offeriert 140/120 mm (Fox 34 & Fox Float) und das LT 150/135 mm (Fox 36 & Float X). Pivot macht es sich nicht leicht, steckt nicht einfach einen anderen Hub rein und nennt das Bike „mehr enduro“. Durch einen leicht anders konzipierten oberen Dämpferlink, eine umkehrbare untere Dämpferaufnahme in Kombination mit mehr Hub, entstehen zwei Bikes mit unterschiedlichen Charakteristiken, je nach Vorliebe.
Die SL Version ist das Bike, das man will, wenn man sein XC-Bike liebt, aber bergab mehr Spaß und Freiheit haben will. Klar hat man mit dem leichten Fahrwerk den Flex einer 34er Gabel und die etwas trockenere Dämpfung des DPS. Das ist mir persönlich aber erst wieder danach im Seminarraum aktiv eingefallen und ich fragte mich, ob die Triple Challenges und Verfolgungsjagden auf den Trails von Santa Coloma angebracht waren. Das meinten sie also mit „zuerst fahren, dann die Zahlen“. 12,6 kg Kampfgewicht in der XTR-Version, ich bekomme fast ein schlechtes Gewissen, was ich dem armen Ding angetan habe. Aufgemuckt hat es aber nie.
Die LT Version soll jenen gehören, die Spaß am Bergabfahren haben, aber wendiger und leichter als am Switchblade unterwegs sein wollen. Mehr Hub und 0,5° flacherer Lenkwinkel als am SL bringen sämtliche Hometrail-PR’s ins Schwitzen. Auch dieses Bike tritt sich bergauf unverhältnismäßig leicht, was nicht nur der leichten Bauweise, sondern dem durchdachten Hinterbau mit DW-Link Charakteristik zu verdanken ist. Gleich wie mit dem SL kann man mit dem LT getrost eine Alpenüberquerung anreißen und muss sich weder Sorgen um elendslange Anstiege, noch über anspruchsvolle Abfahrten machen.
Ich sage nicht, dass das Trailcat das perfekte Bike für jeden ist. Die Charakteristik von Pivot spiegelt sich auch in diesem Bike stark wider. Die Progressivität des Hinterbaus ist eines der stärksten Merkmale der Firma und zieht sich durch alle Modelle. Wer ein lineares, eher träges Bike sucht, ist wohl mit der Spritzigkeit des Pivots überfordert. Notorische Finale-Klöppler und Schöckl-Anrainer brauchen mehr Federweg. Wem edle Fertigungskunst und durchdachte Details egal sind, weil sie in der Realität wenig bis nichts mit Fahrdynamik und Geometrie zu tun haben, sollte auch zu einem anderen Bike greifen. Weil auch an diesem Bike ein stolzes Preisschild drauf hängt, muss man sich anschauen, was man für sein Geld bekommt.
Die feinen Details
Abgesehen von dem unablässigen Forschungs- und Verbesserungsdrang seitens Geometrie und der makellosen Fertigung sind es vor allem die Details, die man nicht sieht, aber bemerkt. So werden beispielsweise die unterschiedlichen Rahmengrößen verschieden gelayert, um andere Steifigkeiten zu erreichen. Ein großer Mensch erzeugt durch lange Gliedmaßen und mehr Kraft viel größere Hebel, als ein kleiner Mensch. Ein lineares Scaling des Rahmenaufbaus würde einem großen Fahrer einen Rahmen weich wie Gummi und einem kleinen Fahrer einen stocksteifen Bock bescheren. Und das hat laut Pivot wirklich niemand verdient.
Eine erfreuliche Neuerung ist das neue Verstaufach im Unterrohr. Das fällt beim Trailcat aufgrund der schlanken Bauweise leider recht klein aus, fasst mit ein wenig Liebe aber Schlauch, Kartusche, Salamis und Riegel. Hier hat Pivot mit großem Aufwand einen Spagat zwischen leichter Bedienbarkeit, völliger Wasserdichte und null Klappern geschafft. Befestigt man das mit Topeak zusammen entwickelte DockTool auch noch am Rad, erübrigt sich der Rucksack zur Gänze und der Schwerpunkt wandert Richtung Boden.
Der US-Hersteller respektiert weiterhin Kabel und Leitungen und führt sie unauffällig, aufgeräumt und leise durch den Rahmen. Wie gewohnt kann man durch den FlipChip die Geometrie an die jeweilige Vorliebe anpassen, aber auch ein Mullet draus bauen, ohne die Eigenschaft des Rads zu verlieren. Was ich persönlich nicht ganz verstehe, ist die Reifenwahl. Hinten einen Dissector in EXO draufzuklatschen macht für mich persönlich keinen Sinn. Aber einerseits ist die Reifenwahl sowieso mehr Religion und bei vielen die erste Komponente, die beim Erhalt des neuen Bikes getauscht wird, andererseits hatten wir nach zwei Trailtagen kein einziges technisches Gebrechen, auch nicht am zierlichen EXO Hinterreifen.
Definitiv erwähnenswert ist die neu eingeführte lebenslange Garantie auf Rahmen und Rahmenlager statt wie bisher zehn Jahren. Sie gilt für Erstbesitzer und das Rad muss dafür bei Pivot nach dem Kauf registriert werden.
Ich lehne mich jetzt weit aus dem Fenster und sage mit voller Überzeugung, dass diese Art von Bike das perfekte Bike für den Großteil der Mountainbiker wäre. Du drehst es einfacher um Kurven, du trittst es leichter bergauf, du lupfst es effizienter über Hindernisse, du hast einfach unendlich Spaß und kämpfst nicht gegen Winkel und Scherkräfte. Obwohl es anhand der Zahlen nicht so scheint, ist die Trailkatze unfassbar schnell, macht Spaß und ist nur schwer ans Limit zu bringen. Ich oute mich wiederholt als absoluter Trailcat-Fan und muss mich wohl weiterhin zwingen, zu einem anderen Rad, als der Katze, zu greifen.
Pivot Trailcat MJ 2025
Preis | von € 6.399,- bis € 13.599,- |
Federweg | 140/120mm (SL) bzw. 150/135mm (LT) |
Laufräder | 29 Zoll |
Rahmenmaterial | Carbon |
Gewicht | ab 12,6 kg (Frameset 2,43 kg) |
Garantie | lebenslang (Rahmen + Rahmenlager) |
Gleiche Liga: | Norco Optic, Specialized Stumpjumper 15, Mondraker Raze, Scor 4060 ST, Radon Skeen Trail, Rocky Mountain Instinct, Propain Hugene |
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