Pandemie, Lieferkettenprobleme und Rabattschlachten: Der stationäre Fahrradhandel reitet seit März 2020 in einer Achterbahn, für viele kleinere Nahversorger fühlt es sich nach einem endlosen Ritt an. Das sollte Bikerinnen und Biker nicht kalt lassen. Ein Plädoyer für das Fachgeschäft ums Eck.
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Geiz ist nicht geil, war er nie. Sparen ist schön, bewusstes Einkaufen aber viel wertvoller. Für dich, dein Fahrrad und den Store deines Vertrauens. Engagierte Shops sind das Rückgrat einer lebhaften Bike Community. Ein guter Laden ist in der Region verwurzelt und kümmert sich: unterstützt Vereine und junge Talente, engagiert sich sozial. Er vernetzt Gleichgesinnte, liefert Inspiration, verwirklicht Träume, hört zu – als Nahversorger, den wir brauchen: Einsteiger*innen schätzen die persönliche Beratung und erfahrene Bike People das Fachsimpeln mit dem Personal in der Werkstatt.
Selbst Hand anlegen? Sehr gut!
Wer viel im Sattel sitzt, fängt zwangsläufig an zu schrauben, da bleibt’s nicht nur dem Wechseln von Bremsbelägen oder Antriebskomponenten – und das ist gut so. Alleine schon deshalb, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit steigt, auf den Trails dieser Welt auch anderen Leuten aus der Patsche helfen zu können. Schraubt man aus Überzeugung oder Kostengründen selbst, fällt der Verzicht auf Online-Anbieter und deren besonders attraktive Angebote oft schwer. Weh tut’s dem stationären Handel in jedem einzelnen Fall, bei kompletten Bikes gilt das umso mehr.
Ob die Teile für die nächste Do-It-Yourself-Session vermeintlich besonders günstig aus dem Internet stammen oder doch über einen Betrieb aus der Region bezogen werden, macht auf Dauer einen großen Unterschied. Es soll gelegentlich sogar vorkommen, dass Kunden online gekaufte Teile in der Fachwerkstätte montiert haben wollen. Da ist die Grenze des Anstands echt erreicht – viele erledigen den Job trotzdem, weil sie die Bikes schnell wieder in ihrem natürlich Habitat wissen wollen und wohl auch hoffen, dass es beim nächsten Mal anders laufen wird. Schlag nach im Duden unter „Idealismus“.
Für waschechte Pedalritter gilt: Mit steigendem Anspruch an die eigene Performance muss da ein verlässlicher Partner sein, der sich um den Bock kümmert, wenn man mit dem eigenen Schrauber-Latein am Ende ist: eingepresste Lager, Feinabstimmung, Knarzgeräusche und andere Poltergeister – die Leute im Laden machen sich die Hände schmutzig und wissen Rat.
Apropos, der Advent ist die Zeit der Besinnung und wird zynischer Weise durch das Marketing-Monster namens „Black Week“ eröffnet – ein Friday genügte irgendwann nicht mehr, online hängt ja auch noch der Cyber Monday dran. Der stationäre Handel muss bei diesen Dingen oft mitziehen, aber eines ist fix: Dem Bike Shop deines Vertrauens wird dabei schwindelig. Jetzt ist doch ohnehin Nebensaison, wen kümmert’s?
Dem Rabattwahnsinn Einhalt gebieten
Wer Produkte zum empfohlenen Verkaufspreis anbietet, hat allzu oft ein Problem – dann, wenn die gleichen Artikel woanders aufgrund von Nachlässen billiger angeboten werden. Der Rabattwahnsinn erstreckt sich inzwischen über das ganze Jahr. Dazu tragen auch jene Fahrradläden wesentlich bei, die sich bei Branchenkollegen den zweifelhaften Ruf des Schleuderers erarbeitet haben.
Auch einige traditionelle Hersteller konnten der Verlockung des Direktvertriebs über das Internet nicht widerstehen, rudern inzwischen aber bereits geläutert zurück. Sie haben akzeptiert, dass sie ihr stationäres Händlernetz pflegen müssen – jene Partner, die den Kunden ein Fahrradleben lang begleiten. Und damit Bikes auch künftig noch in einem Shop betrachtet werden können.
Das Internet hat die Preisschlacht nicht initiiert, das gab’s auch schon davor. Allerdings hat sich die Entwicklung in den vergangenen Jahren derart beschleunigt, dass einige Shops unter Druck geraten sind und die Stimmung mancherorts durchaus angespannt ist. Die Rabattschraube ist eine extrem sensible – wer einmal bei der Kundschaft den Nimbus des Schleuderers hat, wird ihn nicht mehr los und schneidet sich damit langfristig ins eigene Fleisch. Glaubwürdigkeit ist die härteste Währung im Handel.
Es gab für die niedergelassenen Fahrraddoktoren in der jüngeren Vergangenheit aber durchaus Anlass zur Hoffnung: Die Einführung des Klimatickets verändert die Mobilität nachhaltig, selbstredend steigen damit auch mehr Leute auf das Fahrrad um. Inzwischen bieten viele Unternehmen für ihre Belegschaft die Möglichkeit, ein Bike zu leasen – das befeuert den Umdenkprozess bei der Mobilität und trägt so einen wichtigen Teil dazu bei, deinen Lieblingsshop abzusichern.
Es liegt an dir, zeig Flagge
Also: Wenn dir ein Bike Shop auf Nachfrage ein paar Prozente anbietet, nimm sie – das ist ein Zeichen der Wertschätzung. Rabatte sind nichts Schlechtes, aber ohne Anlass und Begründung fragwürdig. Wenn dir ein Laden mitten in der Saison gleich ein Fünftel des Listenpreises oder noch mehr quasi auf die Brust drückt, dann frag, ob es dem Geschäft gut geht.
Frag auch, ob diese Crew auch in ein paar Jahren noch da sein wird, um dein Bike zu pflegen und die Community zu unterstützen. Wenn die Nerven blank liegen, wirst du es schnell merken. Die gute Nachricht: Es liegt an dir, etwas dagegen zu tun. Denn die Frage ist nicht nur, was dein Bike Shop für dich tun kann – sie gilt auch umgekehrt. Schließlich hilfst du dir damit am Ende selbst. Geh raus und zeig deine Liebe mit #SupportYourLocalBikeShop
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