Selbstzerfleischung

Christoph Berger-SchauerInside LINES

LINES Issue #20 Editorial Selbstzerfleischung

Foto (c) Pixabay

„Das sind alles Kannibalen, das sind alles keine Menschen mehr“, tüdelt Kreisky (nicht der Bruno) aus dem Radio. Ein Satz, den man über die Bike-Szene heutzutage singen kann. Kaum entwächst Mountainbiken dem Status einer trendigen Randsportart, zerfleischen sich ihre Mitglieder selbst.

Jungbiker werden von Alteingesessenen gemaßregelt, weil sie neue Sprünge in die illegalen Trails bauen. Andere aus der 26-Zoll-Ära verstauben die Sick Series Boys weil sie nichts schaufeln, sondern nur fahren. Wie man’s macht ist’s falsch. Lycra-Marathonisti und Kniedeckel-Fraktion würdigen sich im Wald keines Blickes (okay, das hat Historie). Bikebergsteiger finden liftunterstütztes Fahren verwerflich, während die Park Rats sowas von gar nicht nachvollziehen können, warum man sein Radl einen Steig raufträgt, nur um ihn ein paar Stunden später runterzustolpern. Für die einen sind Flowtrails die Pest, für die anderen Sucht. Und hat man in den letzten fünf Sätzen keine Streitpunkte gefunden, dann gibt’s zumindest ein Thema, über das man immer lästern kann: die E-Biker.

Mountainbiken ist vielfältig. Jetzt ist schon Skifahren kein in sich homogener Sport. Die wenigsten Ski Amadé-Saisonkartenbesitzer können nachvollziehen, warum sich wer freiwillig mehrere Stunden einen potenziell lawinengefährdeten Berg raufquält, nur um dann einen nicht gespurten Hang in viel zu tiefem Schnee runterzujaucken. Mit dem Spektrum Forststraße bis Gebirgssteig ist Biken noch einen guten Schuss abwechslungsreicher. Das heißt im Umkehrschluss: es gibt nicht den EINEN richtigen Weg Biken zu gehen. Was wir alle am allerwenigsten brauchen sind Mountainbiker, die versuchen ihren Mitstreitern genau das einzubläuen. Bikepark-Partylaps, Forststraßentouren oder Gipfelkreuz-Bike-Erlebnisse entbehren Kategorien wie richtig oder falsch. Wenn’s Spaß macht (und keinem anderen schadet), dann lasst’s ihnen doch die Freude.

Ein vorläufiger Höhepunkt dieser Selbstzerfleischung der Biker im noch jungen Jahr 2021 war die Bestellung des Mountainbike-Koordinators in der Steiermark. Mit mehrjähriger Verspä-tung schafft es das grüne Herz Österreichs eine längst überfällige Position im Land zu installieren und dann wird der neue Beamte noch vor seinem Dienstantritt kräftig unter Beschuss genommen. Nicht vom Forst, nicht von der Jagd, nicht von den Grundeigentümern, sondern von den Bikern selbst. „… weiterer Förderer der Gettoisierung…“, „…insgeheim wünsch ich mir bösartigerweise sogar, dass er nix weiterbringt…“, „…will keinem den Rücken stärken, der noch mehr Verbote für Biker will, und möglichst alle in umsatzbringende Reservate stecken will.“ So der Tenor in einem großen heimischen Bikeforum nach der Vorstellung von Markus Pekoll als Bike-Koordinator. Da waren’s noch einige Tage hin, bis er seinen Dienst offiziell antrat. An Taten konnte man ihn also noch nicht gemessen haben.

Den Tastenhelden war das aber powidl. Markus’ Vergangenheit als Abfahrts-Aushängeschild stempelte ihn in ihren Augen sowieso als „Downhiller“ ab. Fertig Arbeit. So leicht kann man sich’s machen. Sollte man vielleicht aber nicht. Abgesehen davon, dass man sich als vorschnell urteilender (und pessimistischer) Charakter outet, sägt man an der Integrität des einzigen offiziellen Vertreters unserer Freizeitaktivität in einem ganzen Bundesland. Und was darf man sich davon erwarten? Genau: weniger Mitsprache von Seiten der Mountainbiker – und zwar für alle Disziplinen.

G’scheiter wär, ein bisserl weniger per Tastatur die eigene Blase befeuern und dem Markus – und allen anderen, die etwas zu bewegen versuchen – nicht das Leben noch schwerer zu machen. Alternativ könnte man auch selber anpacken. Wir werden an Taten messen, versprochen.

LINES Issue #20

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Über den Author

Christoph Berger-Schauer

Dicke Schlappen, schmale Reifen, bergauf, bergab – ist für alles zu begeistern, nur flach darf es nicht sein. Unbekehrbarer Fahrrad-Afficionado, seit einiger Zeit vom Enduro-Virus befallen. Schreibt nieder, was andere nicht in Worte fassen können.

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