Der neue Chef des ÖRV

Christoph Berger-SchauerLesestoff, Szene

Florian König Generalsekretär ÖRV Radsportverband

Florian König ist seit 1. Oktober 2022 neuer Generalsekretär im Österreichischen Radsportverband. Wir haben ihn zum Antrittsgespräch getroffen und nachgefragt, wer da jetzt am Ruder sitzt, wie seine Pläne für den Radsport in Österreich ausschauen und wo Baustellen sind.


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Florian, magst du dich einmal vorstellen. Wer bist du, was machst du?

Mein Name ist Florian König. Ich bin Generalsekretär vom Österreichischen Radsportverband. Hab mit 12 Jahren meine erste Lizenz gelöst. Das heißt, ich bin die ganzen Nachwuchskategorien auf der Straße gefahren. Im Winter vermehrt Querfeldein und Bahn. War dann auch vier Jahre lang in der Südstadt [Anm.: Österreichisches Leistungssport-Zentrum] untergebracht als Sportler. Im Alter von 19 Jahren war ich halt einfach zu schlecht, um damit ein Geld verdienen zu können. Ich hab dann das Radfahren im U23-Alter lassen, hab auf der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten angefangen zu arbeiten – ein ganz normaler 40-Stunden-Job – hab aber dann so kleinweise wieder mit dem Radsport angefangen. Hab mir eine Amateurlizenz genommen, war Veranstalter, hab angefangen, eine Kommissarsausbildung zu machen. Step by step ist das über die Jahre immer mehr geworden. Ich war dann Obmann von einem Radlverein, hab mehr Kommissarsausbildungen gemacht – ich bin jetzt auch Elite-Kommissär bei der UCI und damit einer der wenigen Österreicher, die bei der UCI eine Kampfrichterprüfung haben auf der Straße. Ich hab jährlich so meine Veranstaltungen gemacht, sei es im Kinderbereich – gemeinsam mit dem Sportland Niederösterreich haben wir die kids.bike.trophy gegründet, die es noch immer gibt.


Was ist das genau?

Wir wollen bei der kids.bike.trophy die Kids ohne Stress und ohne Druck für’s Radfahren motivieren. Das ist mittlerweile eine Gemeinschaft von Vereinen, die Kinderrennen machen – egal ob auf der Straße, am Mountainbike oder auch auf einer 200 Meter Skaterbahn. Bei uns gibt’s keine Ergebnisliste, bei uns gibt’s nur Teilnahmepunkte. Die Kinder, die die meisten Teilnahmepunkte haben, erhöhen damit ihre Chance bei der Tombola etwas zu gewinnen. Wir wollen absolut den Leistungsdruck wegnehmen. Bei uns gibt’s keine Siegerehrung, bei uns gibt’s ein Gruppenfoto, wo alle Kinder aufgerufen werden und alle Kinder eine Medaille bekommen. Bis 11 Jahre geht das und wir sehen, dass es sich bewährt. Wir haben jetzt Kinderbewerbe mit bis zu 100 Kindern.

Die kids.bike.trophy ist eine Herzensgeschichte, die mache ich auch weiter. Die zweite Geschichte ist eine Frauen und Nachwuchsrundfahrt, die Sportland Niederösterreich women | kids tour. Die geht über fünf Etappen im Großraum St. Pölten und ist die einzige Frauenrundfahrt, die es in Österreich gibt. Die hat riesengroßen Zuspruch mittlerweile. Das sind so meine Projekte, die ich noch immer mach.

Im Landesradsportverband war ich kurze Zeit quasi auch Generalsekretär, hab mich um die ganzen Bürogeschichten gekümmert. Das hab ich gelassen. Im Verein hab ich auch alles gelassen. Da habe ich für mich selbst gesagt: da ist ein absoluter Interessenskonflikt da und das will ich nicht, da mach ich mich angreifbar. Irgendwann hab ich nebenbei Eventmanagement studiert. Ich leb‘ in der Nähe von St. Pölten, hab einen Sohn mit fünf Jahren. Früher war’s der Job und nebenbei der Radsport, jetzt dreht sich halt alles nur mehr um den Radsport.


Aber zum Radlfahren kommst du noch?

Naja. Bei mir war’s immer so, dass ich Pi mal Daumen 10.000 Kilometer im Jahr zusammengebracht hab. Das Jahr war’s dann gleich radikal auf 4.000 reduziert, weil das Stundenausmaß – vor allem im Sommer wie kein Sportdirektor da war – gleich mal bei 70 Wochenstunden war.


Was bringt dich dazu, dass du dich so im ÖRV engagierst?

Das ist eine gute Frage [lacht]. Es ist, glaub ich, die Grundeinstellung, dass mir der Radsport am Herzen liegt. Bei mir ist es immer um’s Radlfahren gegangen. Die ersten Gespräche zur neuen Position haben im Sommer 2021 angefangen. Es hat dann einen Bewerbungsprozess gegeben und mit 1.1.2022 bin ich dann ins Büro gekommen.

Der ÖRV wird immer als Schmutzkübel verwendet, wenn etwas nicht funktioniert. Alles, wo ich keinen Schuldigen hab, ist der ÖRV schuld. Wie wir jetzt auf Trainingslager auf Mallorca waren, sind ein paar Meldungen gefallen: „Das ist ja der ÖRV.“ Ich hab dann das Gespräch gesucht und gefragt: „Warum ist das der ÖRV?“ Und dann ist man gemeinsam draufgekommen, dass es auch noch andere Einflussfaktoren gibt. Es ist mir ein Anliegen aktiv auf Leute zuzugehen, die dieses Bashing betreiben und zu fragen: „Warum glaubst du, dass es der ÖRV ist?“ Dass die Leute nachdenken und nicht nachplappern „der ÖRV ist scheiße, bleibt scheiße, wird immer scheiße sein.“ Dieses Denken hat sich so eingebürgert und man muss offen und ehrlich sagen, dass einige Dinge nicht so toll umgesetzt worden sind. Zu dem müssen wir stehen. Es sind einige Baustellen da.

Um zurück zur Frage zu kommen: Es ist für mich die Gesamtherausforderung etwas bewegen zu können und damit den Athletinnen und Athleten weiterzuhelfen. Der ÖRV basiert ja auf zwei Säulen. Die eine Säule ist alles was Sport ist, also Entsendungsbetrieb, Trainer, etc. Die zweite Säule ist die Organisation, also Fortbildung, Veranstaltungen, Reglement, alles was in diese Richtung geht. Sportlich fängt vieles der Sportdirektor ab. Aber von der Grundorganisation gibt es viele Dinge, die ich jetzt hinterfrage warum das so ist. Beispielsweise: Warum heißen die Lizenzkategorien so wie sie heißen? Das ist echt spannend und teilweise fragt man sich, warum hat das bis jetzt noch niemand gesehen? Da vergeht gerade jeder Tag wie im Flug.


Was sind eigentlich die Aufgaben eines Generalsekretärs?

Das große Ganze im Auge zu behalten. Es fängt an beim Budget, in Abstimmung mit dem Sportdirektor. Über mir hab ich das Präsidium mit dem Präsidenten und den vier Vizepräsidenten. Denen bin ich zur Rechenschaft verpflichtet. Bei mir liegen alle Mitarbeiterthemen, meine Aufgabe ist es auch den Verband nach außen hin zu vertreten. Die Sponsorensuche ist beim Präsidium angesiedelt, aber die ganzen Verträge im Hintergrund mache ich. Alles was mit Versicherungen zu tun hat liegt bei mir. Die Büroräumlichkeiten haben wir gerade renoviert, das liegt auch bei mir. Aktuell läuft grad ein großer Digitalisierungsprozess, womit der Vereinsfragebogen in elektronischer Form kommt und in weiterer Folge auch die Lizenzen elektronisch beantragt werden können. Wir kriegen jetzt auch einen Webshop, wo man dann Nationalteambekleidung kaufen kann. Förderungen sind ebenfalls mein Aufgabenbereich. Zugleich bin ich Vorsitzender vom Sportausschuss, wo Dinge wie Reglementänderungen, etc. besprochen werden.


Welche Pläne hast du für dein Tun im Radsportverband?

Obwohl ich schon sehr integriert war in diese Radsportwelt hab ich immer so das Gefühl gehabt, als wär das Wichtigste der Straßenradsport und da nur die Männer. Natürlich ist das die Königsdisziplin im Radsport, allein wenn ich mir die Tour de France anschaue. In meinem Antrittsbrief an die Vereinsobmänner hab ich’s eh angesprochen: Die Dichte ist dort auch am größten. Es ist am schwersten dort Erfolge einzufahren. Wir haben dort erfolgreiche Sportler – Patrick Konrad & Co. Unser Ziel ist es aber auch die anderen Sparten auf ein annähernd gleiches Niveau zu bringen.

Das beste Beispiel ist für mich BMX Freestyle. Das war bei uns im Verband eigentlich nicht integriert. Das ist eine Olympische Sportart, hat bei uns aber niemand am Schirm gehabt. Es ist weder im Budget vorgekommen, noch gibt’s irgendetwas Strukturiertes. Da ist es uns – mir und dem Sportdirektor Mario [Prohaska] – ein Anliegen, dass wir in allen unseren acht Sparten ein Grundgerüst haben. Da soll es Trainer geben, da soll es ein Budget geben, da soll es einen Entsendungskalender geben. Die sollen alle bei Weltmeisterschaften betreut werden. Wir haben jetzt erstmals zur Radball- und Kunstrad-WM unseren Pressemann mitgeschickt, um zu signalisieren, dass diese Sparten auch wichtig sind für uns. Da finden jetzt gerade laufend mit den einzelnen Sparten Gespräche statt. Wir sind kürzlich mit BMX Racing zusammengesessen, mit Trial. Das sind alles coole, trendige Sportarten. Mein Zugang ist, obwohl ich auch aus der Straßen-Sparte komme, wenn ich einen jungen Burschen mit 10 Jahren hernehme, dann macht es dem sicher mehr Spaß, dass er irgendwo mit seinem Radl herumspringt, bevor er bei Wind und Wetter stupide Ausdauer trainiert. Wir wollen in allen Sparten aktiv und präsent sein, Recruiting betreiben. BMX Racing fängt beispielsweise mit sieben Jahren schon richtig zum Trainieren an und das ist die Basis für alles. Ein Mark Cavendish ist als kleiner Bub nur BMX gefahren und ist dann einer der erfolgreichsten Straßenprofis auf der ganzen Welt geworden. Also: Leistungsdruck rausnehmen, damit es Spaß macht, in die Breite gehen und über trendige Sparten die Kids motivieren und dabei den Spitzensport nicht aus den Augen verlieren.


Es werden einige im Mountainbike-Bereich aufschreien und sagen „Oh Gott, jetzt sitzt schon wieder ein Rennradfahrer am Ruder.“ Wie verschaffst du dir einen Überblick über andere Sparten?

Wir haben jetzt ein supercooles Trainerteam, die uns von der sportlichen Seite immer up-to-date halten. Wir verstehen uns sehr gut und vernetzen die Sparten untereinander. Wir waren mit Straße, Bahn, Mountainbike und einem Parasportler gemeinsam auf Trainingslager auf Mallorca. Da profitiert jeder von jedem. Wir wollen bissl weg von dem „Ich bin nur Straßenfahrer“ oder „Ich bin nur Mountainbiker“, sondern dass man auch die Vorteile jeder Sparte erkennt.

Um auf deine Frage zurückzukommen: Es ist extrem schwierig, weil auch mein Tag nur 24 Stunden hat. Durch Präsenz, durch Interesse, durch hinterfragen. Für mich ist es wichtig andere Sparten kennenzulernen. Mich interessiert nicht nur die Straße. Wenn ich mir das Radball WM-Finale anschaue: da ist es zugegangen wie bei einem Eishockey-Match bei uns. Da können andere Sparten stimmungstechnisch etwas lernen. Genauso wenn ich mir die Downhill WM in Les Gets anschaue.


Weißt du schon bei welchen Events zu nächstes Jahr sein wirst?

Wir kommunizieren heuer alle Österreichischen Meisterschaften vor Weihnachten und wir werden uns im Präsidium und mit dem Sportdirektor absprechen, wer wann vor Ort ist. Ich will nicht, dass bei einem Straßenrennen drei Leute dort stehen und dafür bei der nächsten BMX- oder Mountainbike-Veranstaltung gar keiner. Das ist mir sehr, sehr wichtig.


Was ist dein aktueller Status quo zum Radsport und zum Verband? Was ist gut, wo sind Baustellen?

Ich glaub wir haben eine ganz guten Entsendungsbetrieb – in den Sparten, die bis dato involviert waren. Baustellen sind sicher BMX Freestyle, BMX Racing, Trial – weil da einfach so viel Potenzial nach oben ist. Es gibt einzelne Zellen, aber die haben mit dem Verband per se kaum etwas zu tun. Da heißt es jetzt ansetzen, die ins Boot zurückgewinnen, um gemeinsam als Österreichischer Radsportverband unterwegs zu sein. Sonst sind viele organisatorische Dinge im Hintergrund. Digitalisierung – da können wir Lichtjahre aufholen. Kommunikation – da ist so viel Platz nach oben hin. Dass man nicht erst kommuniziert, wenn das Problem schon entstanden ist, sondern kommuniziert, bevor es entstehen könnte. Was ich mir auch eingestehen muss: Unsere Sponsoren gehören viel besser eingebunden. Die letzten zwei Jahre haben wir ein Gender-Projekt (mit weiblichen Begleitpersonen, Ombudsstelle und Reglement-Anpassungen wie Preisgelder, etc.) umgesetzt, das sehr gut funktioniert. Und ich glaub der ÖRV verkauft sich oft unter dem eigenen Wert, weil er als Schmutzkübel hergenommen wird und man dem viel mit offener Kommunikation entgegenwirken kann.


Hast du einen Wunsch an die Radlcommunity? Was kann jede*r einzelne für den Verband tun?

Der Mario und ich picken uns von jeder Sparte die erfolgreichsten Sportler heraus und suchen mit denen das Gespräch, was sie eigentlich für eine Erwartung an den Verband haben. Ein Wunsch von mir ist, dass wir nicht für alles verantwortlich gemacht werden, wo es vielleicht andere Einflussfaktoren auch gibt. Wir sind ein sehr junges, supercooles Team und mittlerweile so aufgestellt, dass ich mich behaupten traue: Wir sind für relativ viel Neues offen. Wenn wer mit Ideen oder Vorschlägen kommt, sind wir gerne bereit mitzuhelfen und das auch bei uns im Verband zu integrieren. Ich war beispielsweise mit Senad Grosic in Kontakt. Von dem kommt extrem viel Input, wo wir überlegen, wie wir das bewerkstelligen könnten. Da wünsch ich mir generell, dass man das Gespräch mit uns sucht. Einfach anrufen, vorbeikommen, reden.


Florian, vielen Dank für’s Gespräch.

Über den Author

Christoph Berger-Schauer

Dicke Schlappen, schmale Reifen, bergauf, bergab – ist für alles zu begeistern, nur flach darf es nicht sein. Unbekehrbarer Fahrrad-Afficionado, seit einiger Zeit vom Enduro-Virus befallen. Schreibt nieder, was andere nicht in Worte fassen können.

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