EXT ERA: Die Gabel scharf wie ein Messer

Max TrafellaMaterial

EXT Era Gabel

Fotos: Julian Breitler, Extreme Racing Shox

Biker, die immer das letzte Quäntchen Performance aus ihrem Fahrwerk kitzeln oder Biker, die einfach zu viel Zeit in einem gewissen deutschen MTB-Forum verbringen, wissen wofür EXT steht. Der Italienische Fahrwerksspezialist ist seit langer Zeit im Motorsport tätig und hat unter anderem Sébastien Loeb zu ganzen neun Rallye-WM Titeln verholfen. Seit einigen Jahren stellt EXT auch Coil-Dämpfer fürs muskelbetriebene Zweirad her, die (laut besagtem Forum) der „neueste, fetzengeilste Scheiß“ sind. Seit letztem Jahr haben die Italiener auch eine Gabel im Programm, die ERA. Ich durfte das schwarze Trumm die letzten zwei Monate ausführlich testen. Zugegeben, vielleicht ist die ERA wirklich der „neueste, fetzengeilste Scheiß“.

Eckdaten

  • 29 Zoll
  • 140 – 170 mm Federweg
  • 44 mm Offset
  • 2.280 Gramm
  • 15 x 110 mm Steckachse, Torque-Caps kompatibel
  • HS3 Hybrid Luft und Stahlfeder
  • HSC, LSC und Rebound einstellbar
  • Preis: 1.775,- € (eintausendsiebenhundertundfünfundsiebzig!!!)
Out of the Box ist alles edel angerichtet.

Mit 36mm dicken Standrohren ist die ERA ganz klar im Endurosektor daheim, die Traveloptionen von 140-170mm deuten aber bereits an, dass man auch sein unschuldiges Trailbike damit bestücken kann. Alle Nostalgiker und Menschen unter 1,20 müssen jetzt stark sein, denn die Gabel gibt es nur als 29 Zoll Version und auch nur mit 44mm Offset. Im Lieferumfang sind neben der Gabel eine Dämpferpumpe, ein kleines Fläschchen mit Gabelöl und ein übersichtlich gestalteter Setupguide enthalten. Gerade Letzteren sollte man nicht verlieren, denn einfach Luft hinein ballern bis der Sag passt wird bei der ERA nicht hinhauen. Die Luftfeder besteht aus zwei separaten Kammern. Neben der klassischen Hauptkammer inklusive Negativkammer gibt es auch noch eine Ramp-Up Kammer, welche die Progression regelt. Weil das noch nicht genug Aufwand für die Kollegen am anderen Ende des Kanaltals war, ist zu guter Letzt noch eine kleine Stahlfeder verbaut. Diese soll das Ansprechverhalten noch feiner gestalten. Auf der Dämpfungsseite lässt sich High- und Lowspeedcompression einstellen, unten am Casting findet man wie gewohnt das Knopferl für den Rebound.

Trotz 36er Standrohren wirkt die ERA von oben ziemlich massiv. Gut fürs Selbstvertrauen.

Von außen betrachtet ist das gute Stück recht unauffällig, nur die recht massive Krone tanzt mit ihrer besonderen Konstruktion aus der Reihe. Mit einem Hauch Erotik umschlingt die Krone die ersten paar Zentimeter des Gabelschaftes,. Dies soll zu einer besonders intimen Bindung führen und dadurch zu mehr Steifigkeit und vor allem das allseits verhasste Gabelknarzen unterbinden. Einziges Manko an der Sache: Durch die besondere Bauform weist der Gabelschaft am unteren Ende einen geringeren Durchmesser auf. Daher können manche im Steuerohr verbaute Werkzeuge, wie mein geliebtes Specialized SWAT-Tool, nur mit Hilfe eines Adapters verbaut werden.

Die Gabelkrone ist einzigartig und die Konstruktion macht auf jeden Fall Sinn.

Die ERA am Trail

Genug Daten und Fakten, wir sind ja schließlich nicht in besagtem Formu, sondern wollen wissen, wie sich das Gerät am Trail macht! Ich hab die ERA als 170mm-Version in mein Specialized Enduro gesteckt und dort hat sie sich zumindest optisch schon mal recht gut gemacht. Wie jeder Biker der irgendeinen neuen Blödsinn an seinem Radl verbaut hat, hab ich erst einmal ein paar Runden am Parkplatz gedreht, wo mir zwei Sachen aufgefallen sind. Erstens, die ERA ist steif. Obwohl sie mit ihren 36mm starken Standrohren in der gleichen Dimension wie meine vorher verbaute Lyrik spielt, sorgt die besondere Krone für einiges mehr an Bremssteifigkeit. Zweitens, die Italiener haben nicht mit der Druckstufe gespart. Am Parkplatz fühlt sich die Gabel schon fast überdämpft an, Sänftenfeeling kommt definitiv keines auf. Auch verzweifeltes Gekurbel an HSC und LSC ändert daran herzlich wenig, die Gabel ist und bleib straff.

Meine ersten paar Tage auf der ERA verbrachte ich auf meinen Hometrails rund um Bruck. Unsere Trails sind eher naturbelassen und wurzelig, präzises Fahren ist angesagt. Auch am Trail fährt sich die Gabel straff, allerdings bleibt sie trotzdem unglaublich sensibel. Man bekommt sehr viel Feedback vom Untergrund und spürt genau was unter dem Vorderreifen passiert, aber Schläge und Lastspitzen werden trotzdem irgendwie aufgesaugt. Wird es schneller und ruppiger belohnt einem die ERA mit massig Grip und Kontrolle, Linien lassen sich easy halten ohne dass das Vorderrad nervös wird. Die Front bleibt ruhig und vor allem hoch. Ich hatte noch nie eine Gabel, die so hoch im Federweg steht und auch so vernünftig damit haushaltet.

Auf meinen Hometrails blieben die letzten zwei bis drei Zentimeter Federweg fast immer unangetastet, trotzdem schluckte die Front alles weg was mir im Weg stand. Wird es steil und technisch, blüht die ERA so richtig auf. Man bekommt Gegenhalt ohne Ende und kann Druck auf die Front geben als gäbe es kein Morgen. Abtauchen bei hohen Stufen? Fehlanzeige! Verhärten beim Anbremsen im ruppigen Gelände? Nix da! Die Luftfeder vermittelt ein sehr lineares Feeling, nie hatte ich das Gefühl in der Progression angekommen zu sein, obwohl ich zuhause nicht einmal in die Nähe eines Durchschlages gekommen wäre.

Wirklich außergewöhnlich ist die Feinfühligkeit der Gabel, auch bergauf. Auf technischen Uphilltrails (ja, geht auch ohne Motor) verschlägt es einem das Vorderrad merkbar weniger, gerade wenn man verzweifelt versucht die Front noch irgendwie am Boden zu halten. Hier dürfte die kleine Stahlfeder ihren Teil beitragen, denn ein spürbares Losbrechmoment gibt es nicht. Die Gabel taucht bereits ein paar Millimeter in den Sag, wenn man das Bike ohne Fahrer auf den Boden stellt. Die ERA klebt regelrecht am Boden, was sogar dazu führt, dass Manuals etwas mehr Kraft benötigen. Die Gabel will den Boden einfach nicht hergeben.

Sommer bedeutet bei mir aber auch viel Zeit im Bikepark und dort hab ich definitiv einige Tage, besser gesagt Wochen, mit der ERA verbracht. Umso ausgeblasener der Trail ist, umso mehr Selbstvertrauen vermittelt die Gabel. Lässt man die Bremsen offen, folgt die Gabel treu dem Untergrund und vermittelt ein sehr kontrolliertes Fahrgefühl. Situationen wo man regelrecht von der Linie weggebeutelt wird kommen äußerst selten vor. In Bremswellen verhärtet die Gabel erst sehr spät und springt selbst dann nicht wild durch die Gegend, Bremspunkte kann man unvernünftig spät setzen.

Bei all der Euphorie muss jedoch festgehalten werden, dass die Gabel aktiv gefahren werden möchte. Hängt man passiv am Rad wird es anstrengend für Finger und Oberkörper, Staubsaugerfeeling können andere Gabeln besser. Steigt man aber ordentlich ins Gas zeigt einem die ERA, dass möglicherweise noch ein bisserl mehr geht. Mit keiner Gabel, die ich bisher gefahren bin, kann man das Hirn bergab so gut ausschalten und trotzdem irgendwie unten ankommen.

EXT Era Gabel Max Trafella Daniel Schemmel
Grinser wie diese hat man mit der ERA öfters

Setup

Ich weiß, ich weiß. Wer so viel über eine Gabel schwafelt muss auch ein paar Worte über sein Setup bei eben dieser Gabel verlieren. Eines möchte ich gleich einmal festhalten. Auch wenn ich persönlich jede Bedienungsanleiten von vorn herein verachte und einfach so lange herumdrehe/Knöpfe drücke/Luft hineinpumpe bis die Sache funktioniert, ohne den Setupguide von EXT wär ich aufgeschmissen gewesen. Die Luftdrücke in den zwei Kammern brauchen ein gewisses Verhältnis damit die Gabel funktioniert. Auch die Reihenfolge beim Befüllen ist wichtig ( ++ vor +, richtig logisch, ich weiß, danke).

Mit meinen 70 Kilo brachialer Manneskraft lag es natürlich nahe, die Setupempfehlung für 70 Kilo als Ausgangspunkt herzunehmen. Gesagt getan, 55 Psi in die Hauptkammer (+) und 85 Psi in die Ramp-Up Kammer (++). Einmal rauf aufs Bike, ordentlich durchfedern, und wie befürchtet war die Gabel für meine Vorlieben (brettlhart) viel zu weich. Also ging ich rauf auf die Empfehlung für 80 Kilo (+ 65 Psi, ++ 100 Psi) und siehe da, am Parkplatz fühlt sich das Setup schon einmal ganz ordentlich an. So ging es dann auch raus auf die Trails. Die Gabel ging mit diesem Setup eigentlich schon richtig gut, allerdings blieben die letzten drei Zentimeter Federweg selbst im Bikepark komplett unangetastet. Was mich dabei sehr schockierte, die Gabel hat sich trotzdem sehr, sehr gut angefühlt und war sensibel wie eh und je. Generell kann man bei der ERA mit dem Luftdruck unvernünftig weit hinauf gehen, ohne das die Feinfühligkeit in den ersten Zentimeter verloren geht. Kompliment an EXT dafür.

„Wennst deinen Federweg nicht ausnutzt, musst halt schneller fahren…“

– Max Trafella, selten hilfreich bei Setupdiskussionen

Ich nahm also meinen ganzen Stolz zusammen und ließ etwas Luft aus der Gabel. Das lässige an der ERA ist, dass man bereits kleine Veränderungen in den einzelnen Luftkammern relativ gut spürt und so mit der Zeit ein Gespür für die Setupänderungen bekommt. Ich fand heraus, dass ich mit etwas mehr Luft in der Hauptkammer gut zurechtkomme, dafür aber die Ramp-Up Kammer etwas weicher fahren muss, um den ganzen Federweg zu nutzen. Inzwischen bin ich auf 63 Psi in der Hauptkammer und 85 Psi in Ramp-Up Kammer unterwegs. Langsam trau ich mich auch zu behaupten, dass ich damit mein passendes Setup gefunden hab, zumindest bis zur nächsten Abfahrt.

Die Dämpfungskatusche gibt es ja auch noch und da sich die Italiener bei dieser sichtlich bemüht haben, hab ich daran natürlich auch noch ein bisserl herumgedreht. Die Reboundempfehlungen von EXT empfand ich defintiv als zu langsam. Laut Empfehlung müsste ich dort um die 12 Klicks von geschlossen fahren, geworden sinds im Endeffekt aber 17. Bei der Druckstufe bin ich recht nah an den Empfehlungen angekommen: hier hab ich mich bei neun Klicks HSC und sieben Klicks LSC eingependelt – empfohlen werden jeweils acht. Generell würde ich aber behaupten, dass die Luftfeder wesentlich mehr Einfluss auf das Feeling der ERA hat. Die Druckstufe agiert mehr als kleines Hilfsmittel wenn man die Gabel bei wechselnden Verhältnissen noch etwas feintunen will.


Haltbarkeit

Inzwischen hat die Gabel gut über 80 Betriebsstunden auf dem Buckel und bis jetzt hat sich die Performance nicht merklich verschlechtert. Steht das Radl allerdings einmal ein paar Tage im Keller kann es schon einmal vorkommen, dass die Staubdichtungen trockenlaufen. Dies kann man aber mit dem mitgeliefertem Gabelöl schnell und simpel nachschmieren. Einfach die Dustwiper schön saubermachen, ein paar Tropfen Öl auf den Standrohren verteilen und dann mehrmals ordentlich durchfedern. Drei Minuten Aufwand und die Gabel flutscht wieder wie frisch aus der Schachtel. Alternativ kann man das Bike natürlich auch einfach ein paar Minuten auf den Kopf stellen.

Normalerweise würde ich mir nach so viel Betriebszeit einmal ein Bier aufreißen und im Keller einen kleinen Ölwechsel machen, daraus wird jedoch bei der ERA nichts. Laut EXT darf die Gabel nur vom geschulten Servicepersonal geöffnet werden, dementsprechend findet man auch keine Anleitungen für ein kleines Service auf der Herstellerhomepage. Öffnet man die Gabel trotzdem selbst, erlischt leider die Herstellergarantie. Immerhin hat EXT mit Endurobros, auch bekannt als WRX Suspension einen kompetenten Ansprechpartner in Österreich. Bei einem Service kann man dort erfreulicherweise mit vier bis sechs Tagen Wartezeit, und nicht wie bei Fuchs und Co mit vier bis sechs Wochen, rechnen. Braucht die Gabel also einmal etwas Liebe von innen, ist nicht gleich die ganze Saison gelaufen.

Zur generellen Qualität der Gabel kann ich nur Gutes berichten. Die Einstellräder fühlen sich hochwertig an und machen auch optisch ziemlich was her. Einzig die Rasterung der LSC könnte für meinen Geschmack etwas definierter sein, hier erfordert es schon etwas Fingerspitzengefühl um die Klicks zu spüren. Erfreulich ist auch, dass sich bis jetzt noch kein Knarzen in der Gabelkrone bemerkbar gemacht hat. Natürlich hab ich das Gerät erst etwas über zwei Monate im Einsatz, bei anderen Gabeln hat dieser Zeitraum allerdings oft schon ausgereicht um eben genanntes Phänomen hervor zu rufen.


Fazit

Ihr habt es sicher bereits herausgelesen, die ERA hält was sie verspricht. Sie kann es definitiv mit den Topmodellen der großen Hersteller aufnehmen, in Sachen Traktion und Support in der Mitte des Federwegs gibt sie wahrscheinlich sogar den Ton an. Wenn man genug Zeit in das passende Setup investiert, lässt sich das Fahrgefühl exakt auf die eigenen Bedürfnisse hinschustern. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass man einige Tiefenmeter vor sich hat bis das ganze Potential der Gabel entfacht ist. Man muss aber auch festhalten, dass EXT sich diese Performance ordentlich bezahlen lässt, denn die ERA reiht sich nicht nur bei der Performance, sondern auch beim Preis ziemlich weit oben im Markt ein. Wer aber bereit ist so tief ins Börserl zu greifen, wird mit einer Gabel belohnt, die immer etwas schneller unterwegs sein möchte als einem lieb ist.


Stärken

  • Sensibler als meine Freundin wenn sie Hunger hat
  • Traktion ohne Ende
  • Steht verdammt hoch im Federweg
  • Steifes Chassis
  • Extrem breiter Einstellbereich
  • Durchschläge werden zur Seltenheit
  • Behält die Kontrolle wenn man selbst schon aufgegeben hat

Schwächen

  • Aufwändiges Setup
  • Teuer
  • Für passive Fahrer vielleicht etwas zu straff
  • Kollegen sudern wenn man nach jedem Run die Dämpferpumpe rausfischt

Weiter Infos: Extreme Racing Shox, Endurobros, WRX Suspension

Über den Author

Max Trafella

Gehört zu den schnellsten Enduristen Österreichs. Genießt die Zeit im obersteirischen Bergland aber mindestens genau so, wie das Racen mit Chip am Radl. Der Mann hinter dem feinsten legalen Trail Österreichs.

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