Fotos: Marktgemeinde Kobenz / Lucas Pripfl
In Kobenz in der Steiermark wurde kürzlich der erste adaptive MTB Trail des Landes eröffnet. Was das ist und warum diese Strecke vermutlich der Anfang von vielen weiteren sein wird, liest du hier.
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Adaptive MTB? Das ist hierzulande ungefähr so viel Thema wie Etherum in der Häkelrunde deiner Oma. Nämlich ein quasi nicht existentes. In Nordamerika ist das ein bissl anders. Da diskutieren die Omas vermutlich über Krypto und auch aMTB ist etabliert, wie beispielsweise eigenen Rennen im Rahmen vom Crankworx Whistler zeigen.
Mit dem ersten adaptive MTB Trail wurde am 30. Oktober 2024 ein längst fälliger Startschuss für Österreich in diesem Thema gesetzt. Auf Deutsch gesagt geht’s dabei um barrierefreie Mountainbike-Strecken. Also solche, die mit Rädern für Rollstuhlfahrer bewältigbar sind und vor allem Spaß machen.
Eigentlich unglaublich, dass rollstuhlfahrende Mountainbiker bis dato hierzulande keine Möglichkeit hatten, ihr Hobby auf einem Trail auszuüben. Zumindest gab’s keinen, der explizit als adaptive MTB Trail deklariert und beschildert war. Und das ist in dem Fall ein wichtigeres Detail, als man auf den ersten Blick glauben mag. Denn Hindernisse, die man nicht bewältigen kann, sind für Menschen die gehen können auf einem Trail maximal ein Ärgerniss, für mountainbikende Rollstuhlfahrer aber eine unüberwindbare Hürde, bei der sie im blödesten Fall nicht mehr vor oder zurück können.
Kobenz, der aMTB Vorreiter
Die Initialzündung für hoffentlich mehr adaptive MTB Trails in Österreich ist in Kobenz gefallen. Einer 2.000-Einwohner-Gemeinde bei Knittelfeld im Murtal. Nicht weil dort besonders viele Rollstuhlfahrer wohnen, sondern weil sich einige Puzzleteile gut zusammengefügt haben.
Da ist einerseits die Gemeinde Kobenz mit engagierten Vertretern wie Vizebürgermeister Christian Webersink, die ein Angebot für Mountainbiker*innen schaffen wollten. Da ist andererseits ein nimmermüder, hemdsärmeliger Advokat für’s Mountainbiken, Landesrat Wolfgang Moitzi, der eine treibende Kraft hinter MTB Murtal ist. Die beiden hatten nicht nur einen weiteren Singletrail im Sinn, sondern wollten etwas besonderes und brachten die Trailbauer MT-Solution ins Boot und die wiederum RESET, ein junges adaptive Bike-Unternehmen aus Graz.
Entstanden ist der Hoftaltrail, ein knapp ein Kilometer langer Flowtrail. Der obere Abschnitt ist ein blau beschilderter adaptive MTB Trail – grün für normale Radlfahrer – und wirklich für jedermann/-frau fahrbar. Unten wird’s etwas anspruchsvoller, nämlich schwarz für adpative MTBs und eine rote Flowline für alle anderen. Rauf geht’s über eine Asphalt- oder eine steilere Forststraße. Den oberen, leichteren Abschnitt kann man loopen und dann über eine Forststraße Richtung Sportzentrum abfahren, wenn man sich den anspruchsvolleren Teil nicht zutraut. Unten beim Sportzentrum gibt’s dann die nächste Innovation, die perfekt zum Thema passt: den barrierefreien Bewegungspark Kobenz.
Input & lernen
Damit der erste adaptive MTB Trail Österreichs zustande gekommen ist, hat’s ein wichtiges Zusammenspiel gebraucht: Trailbau- und adaptive MTB Know-how. „Wir haben brutal viel gelernt“, zieht Manuel Gruber, Ex-Weltcup-Downhiller und Chef von MT-Solution, nach dem Projekt ein Fazit. „Simon und Thomas haben uns vermittelt, was gut und was schlecht ist, auf was es ankommt – viele Sachen, die unsereiner nicht beachtet.“ Mani erzählt von augenöffnenden Probefahrten am adaptive MTB, wo die Vorstellung von Donuts am Parkplatz schnell vom angestrengten Nicht-Umfallen-Versuchen abgelöst wurde. Er erzählt von Inspektionsfahrten auf bestehenden Trails und davon, dass einfach andere Faktoren wichtig sind: „Kurvenhöhe und -radien sind ein Knackpunkt, man kippt sehr leicht, aber auch Sachen neben dem Trail, wie eine Drainage, die man sonst nicht beachten würde können Gefahrenstellen sein.“
Simon Walch ist Gründer von RESET und Rollstuhlfahrer, Thomas Mayr sein RESET-Partner. Sie haben bereits mehrmals auf das fehlende adaptive MTB-Angebot auf diesem Kontinent hingewiesen (zuletzt beim IMBA Europe Kongress in Mödling), während sie selbst daran tüfteln, die ausrüstungstechnische Lücke zu Nordamerika zu schließen.
„Abartig großartig“, findet Simon, dass sich in diesem Bereich nun etwas tut. „Der erste Teil vom Hoftaltrail fährt sich super einfach – da wird Inklusion ganz groß geschrieben. Der zweite Teil ist anspruchsvoll – da macht es Sinn mit Backup zu fahren.“ Er ist sichtlich angetan, wie gut die Inputs angenommen, wie konsequent barrierefrei der Hoftaltrail umgesetzt wurde und hofft, dass dieses Vorzeigeprojekt Schule macht.
Vom ersten adaptive MTB Trail Österreichs profitieren aber nicht nur Menschen mit hochgradiger Gehbehinderung, sondern alle. Das zeigte die Eröffnungsfeier eindrucksvoll. Neben den dreirädrigen RESET-Bikes standen dutzende Jugendliche parat, die nicht genug vom Hoftaltrail bekommen konnten. Es ist genau, wie Simon sagt: „Man nimmt mit einem adaptive MTB Trail niemanden etwas weg, sondern schafft ein zusätzliches Angebot.“
Foto: Marktgemeinde Kobenz / Manuela Pittini
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