Elektrofahrräder rangieren im Verkaufsranking mit Abstand auf Platz 1. Das ist allseits bekannt. Was jetzt erst ins Rampenlicht rückt: der Strombedarf. Der steigt mit den Stückzahlen dermaßen an, dass Österreich das AKW Zwentendorf nun doch in Betrieb schickt.
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Der Trend ist unübersehbar. Vom Donauradweg bis zum Cape Epic surrt es. Die Watt werden nur mehr zu einem Bruchteil von Wadeln auf die Pedale gebracht. Körpereigene Körner wurden großteils von Bosch, Shimano, TQ, Brose, Fazua, Panasonic, Pinion & Co ersetzt.
Die subjektive Beobachtung des aufmerksamen Betrachters (meist auf einem Zweirad unterwegs, das wertmindernd als „Analog-Bike“ oder „Bio-Bike“ bezeichnet wird) wird durch Zahlen untermauert, ja fast zubetoniert. Von einem zarten Marktanteil von 19,8% im Jahr 2015 schnellten E-Bikes zu einem Anteil am Kuchen von 52,4% im Jahr 2023 hoch. Und es ist kein Ende in Sicht. Experten führender Elektrofahrradhersteller, die in den letzten Jahren ihre Prognosen entgegen aller Hausverstände durchsetzten, rechnen mit einem Anteil von 274% am Gesamtfahrradmarkt. Unglaublich, aber „absolut im Bereich des Möglichen“, wie uns auf Nachfrage versichert wird. Entsprechende Vororder sind bereits getätigt.
Weitgehend unbeachtet: der Strombedarf
Was bei all der Freude über den Boost am Fahrradmarkt bisher unter dem Radar flog: der Strombedarf. Mit der schier unglaublichen Anzahl an elektrisch betriebenen Fahrrädern steigt der Energiehunger entsprechend – und zwar stärker als gedacht. Allein 2023 wurden in Österreich 220.711 neue E-Bikes verkauft. Geht man von einer durchschnittlichen Akkukapazität von 750Wh aus, so werden sagenhafte 165 Megawattstunden an Strom benötigt um diese zu laden. Wohlgemerkt: dabei handelt es sich nur um eine Ladung pro Akku (man munkelt, das würde bei vielen Leasingrädern reichen um sie vom Radladen in die Garage zu bewegen) und nur um neue E-Bikes. Das Laden von älteren Elektrofahrrädern ist hier nicht berücksichtigt.
Netzbetreiber und Energieversorger sehen sich vor einer Mammutaufgabe. Private Photovoltaikanlagen schön und gut, aber alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Nicht einmal die einbrechenden Tesla-Verkäufe können den Strom-Heißhunger des E-Bike-Tsunamis kompensieren. Doch es gibt einen Ausweg. Quasi versteckt auf freiem Feld steht er da, der Koloss. Geduldig hat er gewartet. Seit Jahrzehnten nutzlos und in Vergessenheit geraten, ist jetzt seine Zeit gekommen. Das Atomkraftwerk Zwentendorf geht in Betrieb.
Einst als „größte Investitionsruine der Republik Österreich“ verschmäht, ist es jetzt der Retter in der Not. „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“, würde wohl Bruno Kreisky dazu sagen, der einst seine politische Karriere von Österreichs einzigem Atomkraftwerk abhängig machte (und doch irgendwie nicht). 692 Megawatt Nettoleistung wird das AKW getreu den Plänen aus dem Jahr 1969 aufweisen und damit genug sauberen Atomstrom liefern, um alle E-Bikes aus dem Jahr 2023 4,2 Mal vollzuladen.
Bevor man ins Tullnerfeld pilgern und den Stahl-Beton-Bau mit dem 110 Meter hohen Schornstein friedlich vor sich hin dampfen sieht, sind noch kleine Hürden zu meistern, wie eingeräumt wird. Einerseits wird fieberhaft nach Personal gesucht, das dem raumfüllenden Lochstreifencomputers mächtig ist. Dieser ist notwendig um das AKW in Betrieb zu nehmen. Aktuell wird er per Sondertransport vom Technischen Museum Wien geholt, dem man ihm einst schenkte. Die Personalsuche dafür sei noch herausfordernder als bei der Deutschen Bahn, die Administratoren für MS-DOS sucht, vernimmt man aus Insider-Kreisen.
Andererseits gibt es da diese Lästigkeit des „Bundesgesetzes für ein atomfreies Österreich“, das Verfassungsrang genießt. „Nichts was sich mit einer Volksabstimmung nicht zack-zack regeln ließe“, ist man bei den Zuständigen optimistisch. Die Stimmzettel hat man vorsorglich bereits angepasst. Man lernt ja aus der Vergangenheit.
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